Mittwoch, 10. Januar 2018

Empfindlicher Schlag gegen `Ndrangheta

In einer Großaktion sind 169 Mitglieder der 'Ndrangheta und mit ihnen verstrickte Geschäftsleute und Lokalpolitiker festgenommen worden. Es ist der schwerste Schlag seit langem gegen die kalabrischen Clans, deren Tentakel bis nach Deutschland reichen.



In der Nacht auf Dienstag haben Spezialeinheiten der Carabinieri bei einem Großeinsatz gegen einen einflussreichen 'Ndrangheta-Clan in verschiedenen Regionen Italiens und auch in Deutschland 169 Personen verhaftet. In den letzten Jahren sind den Sicherheitskräften immer wieder Schläge gegen die kalabresische Mafia gelungen, doch diese Operation übertrifft alle bisherigen bei weitem. Die Untersuchung gegen den Clan der Farao-Marincola aus Cirò Marina hatte Jahre gedauert. Der zuständige Staatsanwalt, Nicola Gratteri, sprach am Dienstag von der größten Operation gegen die 'Ndrangheta der letzten 23 Jahre.

 

Den Bürgermeister gekauft


Unter den Verhafteten befinden sich neben einflussreichen Clan-Mitgliedern und deren Handlangern auch zahlreiche Unternehmer und rund ein Dutzend Lokalpolitiker, die mit der organisierten Kriminalität unter einer Decke gesteckt haben sollen. Auch der Bürgermeister von Cirò Marina wurde verhaftet, der dank seinen engen Beziehungen zur Mafia im letzten Jahr auch zum Präsidenten der Provinz gewählt worden war. Im Gegenzug für die Unterstützung der Mafia bei den Wahlen vergaben der Bürgermeister und andere involvierte Entscheidungsträger kommunale Aufträge an die Mafia und drückten bei deren illegalen Aktivitäten beide Augen zu.



Deutschlands Regierung beteuert, dass sie die Gefahr der Mafia sehr ernst nehme. Dennoch hat sich die Zahl der Clanmitglieder im Land in den vergangenen zehn Jahren mehr als vervierfacht.

Die Razzia gegen Mit­glieder der 'Ndrang­he­ta hat auch die deutsche Öffentlichkeit daran erinnert, dass die italienische Mafia kein fernes, südeuropäisches Problem ist. Ihre Clans haben in der Bundesrepublik schon in den siebziger Jahren Wurzeln geschlagen. Zum einen ist das Land ein riesiger Absatzmarkt, etwa für Drogen. Zum anderen lässt sich hier das Geld aus der Heimat waschen, durch Immobiliengeschäfte, im Handel oder in der Gastronomie. Deutsche lieben Pasta und Pizza.

 

Das Fanal von Duisburg


Der erste und bis jetzt einzige Kriminalfall, bei dem die Mafia auf deutschem Boden für alle sichtbar in Erscheinung trat, ereignete sich vor zehneinhalb Jahren vor der italienischen Pizzeria «Da Bruno» in Duisburg. In den frühen Morgenstunden des 15. August 2007 erschossen mehrere Täter den Wirt, seinen Lehrling und vier weitere gebürtige Kalabresen. Die Runde hatte zuvor in einem Hinterzimmer des Lokals ein Aufnahmeritual der 'Ndrang­he­ta durchgeführt, der mächtigsten und finanziell potentesten Mafiaorganisation Europas.


Die Morde waren nicht das Werk diskreter Auftragskiller, sondern eine öffentliche Hinrichtung. Mehr als 50 Schüsse gaben die Täter auf ihre Opfer ab. Wie sich später herausstellte, ging dem Ganzen eine jahrzehntelange Fehde zweier 'Ndrang­he­ta-Clans voraus. Erst im Jahr zuvor hatte die Gruppe, zu welcher der Wirt und seine Runde gehörten, in Italien aus Versehen eine Cousine des Haupttäters erschossen. Eigentlich hätte es deren Mann treffen sollen; nach den Regeln der kalabrischen Mafia rührt man die Frauen der Clans nicht an.

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