Samstag, 12. September 2015

Die Mafia sitzt im italienischen Fernsehen

Das Prunkbegräbnis eines Mafia-Paten löste in Rom einen Skandal aus, der noch nicht zu Ende ist. Auf Rai Uno preisen zwei Mitglieder des berüchtigten Casamonica-Clans den Toten wie einen Heiligen.




Das hat Italien noch nie gesehen: Zur besten Sendezeit und im ersten staatlichen Sender Rai Uno durfte sich in einem der bisher angesehensten politischen Fernseh-Salons die berüchtigte römische Mafia-Familie Casamonica präsentieren: Bruno Vespa bot in seiner Talkshow „Porta a Porta“ der Tochter Vera und dem Enkel Vittorio jun. des verstorbenen Clanchefs Vittorio Casamonica eine offene Bühne.

Der Zuschauer traute seinen Augen kaum: Da konnte im schwarzen schulterfreien T-Shirt über einem weißen langen Rock und schwarzen Stöckelschuhen Vera Casamonica ihren Vater mit Papst  Johannes Paul II. vergleichen; der Verstorbene sei für sie und die Familie wie ein Heiliger gewesen, befand sie.

 Die Staatsanwaltschaft hingegen sieht den Verstorbenen als Padrone eines Sinti-Clans, der es mit Rauschgift- und Menschenhandel, mit Erpressung und Betrug zu einem Vermögen von etwa neunzig Millionen Euro gebracht hat. Mehr als ein Dutzend Angehörige des Clans saßen oder sitzen zurzeit in Haft.


Der Enkel des Paten schweigt

Mutmaßlich weil einer der Söhne dieses Padrone daheim in Hausarrest bleiben muss, hatte Vespa neben der stolzen Vera noch den Enkel Vittorio eingeladen. Der saß neben ihr im schwarzen Hemd und schwarzen Jeans und wusste offensichtlich nicht so recht, wie man sich in einem Fernsehstudio benimmt. Der Junior schwieg meist. Doch wenn beide nicht schlagfertig genug waren, mischte sich der Anwalt der Familie ein.

Dabei verwickelte Bruno Vespa seine Gäste keineswegs in ein Kreuzverhör. Vielmehr ging es ihm offenbar vor allem darum, den weißen Anzug, in dem der Tote auf einer meterhohen Leinwand bei der Trauerfeier gezeigt worden war, optisch in die Nähe zum weißen Habit des Papstes zu rücken; und da hatten es die Casamonicas leicht: Nun gut, sagte Vera, aber das war ein normaler Straßenanzug und nichts mehr. Dabei hätte man gerne gewusst, wie man zum Beispiel die Polizei so an der Nase herumführt, dass man eine sechsspännige Kutsche zum Transport des Sargs in einem langen Zug von Luxuskarossen mit den Trauerkränzen durch die Stadt schicken und aus einem Hubschrauber rote Rosen auf den Sarg regnen lassen kann.


Verbrechen salonfähig gemacht

Seit die Regierung von Matteo Renzi an der Macht ist und so etwas wie stabile Verhältnisse in Italiens Politik eingetreten sind, haben es politische Talkshows schwer. Bruno Vespa, der als Mentor dieser Art von Debatten-Kultur gilt und bei dem früher sein Freund Silvio Berlusconi und dessen gesamte politische Brut stets ein offenes Forum hatten, wurde wegen dieser Normalität mit seiner Sendung „Porta a Porta“ kaum mehr beachtet. Das muss ihn so gekränkt haben, dass er nun zur Hebung der Zuschauerzahlen zum Äußersten griff. 1,34 Millionen Zuschauer sahen dann auch seine Sendung; fast so viele wie die am Abend zuvor mit dem Studiogast Renzi.

Aber nun muss sich der aalglatte Vespa der Kritik von fast allen Seiten stellen. Roms Bürgermeister Ignazio Marino sagte, man sollte die Sendung verschrotten. Er werde nie mehr „Porta a Porta“ sehen, denn Vespa habe die Würde der Stadt verletzt. Diese Sendung habe nicht informiert, sondern versucht, das Verbrechen salonfähig zu machen. Darauf entgegnete Vespa: „In der Tat hat Rom seine Würde verloren, aber doch nicht durch diese Sendung, sondern durch die Politik.“


Juristisch lasse sich womöglich nichts gegen diese Sendung machen, sagte der Präfekt von Rom, Franco Gabrielli; Vespa habe sich freilich als jemand entlarvt, der den Kontakt zur Mafia nicht scheue. Berlusconis Forza Italia hat derweil nichts an der Sendung auszusetzen. Sein Fraktionssprecher im Abgeordnetenhaus Renato Brunetta meinte, Vespa sei ein guter Journalist, der seine Zuschauer zu informieren wisse. Der Vorsitzende der parlamentarischen Kontrollkommission der Rai, Roberto Fico, stellte hingegen fest: Auch wer beim staatlichen Fernsehen arbeitet, ist nicht unantastbar. Die nächste Kommissionssitzung kommt bestimmt.
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