Mittwoch, 26. August 2015

Mafia - Ein Staatsanwalt will aufräumen

von Julius Müller-Meiningen
                                          
Ein sizilianischer Anti-Mafia Staatsanwalt soll die von Korruption und Verbrechen zersetzte italienische Hauptstadt auf Vordermann bringen. Eine unmögliche Aufgabe? Rom, sagen manche, ist heute gefährlicher als Palermo.



Alfonso Sabella (52) sitzt in seinem Büro im Senatoren-Palast auf dem Kapitol und raucht eine Zigarette nach der anderen. Neben der Zigarettenschachtel liegt eine Maxi-Packung mit Kopfwehtabletten. Es ist drückend heiß in der Stadt und Sabellas Aufgabe im römischen Rathaus übermenschlich.

Der Beamte soll die 50 000 Mitarbeiter umfassende Verwaltung Roms zu einer nach rechtsstaatlichen Maßstäben funktionierenden Behörde umbauen. Davon kann heute nicht die Rede sein. „Die Verwaltung Roms ist seit Jahrzehnten korrupt“, sagt Sabella.

Das ist das eine Problem. Das andere war vor ein paar Tagen sichtbar, als der wegen Prostitution, Drogenhandel und Erpressung berüchtigte Clan der Casamonica einen seiner Chefs mit einem pompösen Begräbnis zu Grabe trug, das dem Set eines Mafia-Films glich. Auf an der Kirchenwand im Viertel Tuscolano angebrachten Transparenten wurde der verstorbene Vittorio Casamonica als Herrscher über Himmel und Erde und als „König von Rom“ gefeiert.

Auf die Frage, warum in einer europäischen Hauptstadt ein solches von Ganoventum strotzendes Begräbnis vor aller Augen stattfinden kann, hat Sabella nur eine Antwort: „Den Römern ist die Legalität seit jeher scheißegal.“




Über Hundert Mafiosi hat Sabella als Staatsanwalt gejagt und einsperren lassen, darunter Bosse wie Giovanni Brusca und Leoluca Bagarella. Jetzt soll der Sizilianer in Rom aufräumen. Die Mafia, sagen Leute, die sich auskennen, sei heute in Rom gefährlicher als in Palermo. An diesem Donnerstag berät die Regierung

Der Anruf von Bürgermeister Ignazio Marino kam nicht zufällig kurz vor Weihnachten. In Rom war ein Mafia-Netzwerk aufgeflogen, bei dem die Fäden der organisierten Kriminalität in der Stadt zusammenliefen und das Unternehmer, Funktionäre der Verwaltung und Politiker auf seiner Gehaltsliste hatte. Das bestätigte, was viele ahnten: Weite Teile des Geschäftslebens der Hauptstadt sind von Korruption und Verbrechen zersetzt.




Die vom Ex-Terroristen Massimo Carminati koordinierte Hauptstadt-Mafia schmierte über Jahre und Parteigrenzen hinweg Politiker und Funktionäre, die teilweise Monatsgehälter für ihre Dienste erhielten. Auch der Casamonica-Clan profitierte von der Machtaufteilung. Bis heute wurden knapp 80 Verdächtige verhaftet, im November soll der Prozess beginnen.

Die juristische Aufarbeitung der Affäre wäre aber nur halb so viel wert, würde die Stadt jetzt nicht auch von innen her gesäubert. Das ist Sabellas Job. „Eigentlich dürfte es mein Amt gar nicht geben“, sagt er. „Das ist ja etwa so wie ein Referat für gute Manieren.“ Der Sizilianer soll die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen unterstützen, die Vetternwirtschaft vieler Verwaltungsmitarbeiter aufdecken, öffentliche Ausschreibungs- und Vergabeverfahren kontrollieren und neue Regeln für die Verwaltung entwerfen. Gleich nach Amtsbeginn im Dezember 2014 sorgte Sabella dafür, dass auf der Homepage der Stadt alle aktuellen Auftragsverfahren für jeden abrufbar und transparent sichtbar sind.




Verwaltungsmitarbeiter können heute per Intranet verdächtige Vorgänge anzeigen. Sabella ließ bereits über 50 irreguläre Vergabeverfahren stoppen. „Wir haben das Krebsgeschwür eingedämmt“, sagt er. Sabella will weitermachen, auch wenn es schwer wird. „Die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, stören diejenigen, die bisher in Ruhe ihre Geschäfte machen konnten“, sagt der Mafia-Jäger. Manchmal nimmt er seine Pistole mit ins Rathaus. Er hat als Staatsanwalt einen Waffenschein.

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