Donnerstag, 9. Juli 2015

Mafia-Zentrum Konstanz und der Bodensee



Wer die 'Ndrangheta-Mafia nur in Süditalien sucht, irrt: Acht mit italienischen Haftbefehlen gesuchte Verdächtige wurden jetzt am Bodensee gefasst. Alle sind Mitglieder dieser gefährlichen Verbrecherorganisation.


In diesem Haus in der Fittingstraße in Singen wurde vor fünf Jahren ein Führungsmitglied der Mafia festgenommen. Jetzt gibt es neue Hinweise in dieser Gegend. Foto: Südkurier


Konstanz Das unauffällige Leben am sonnenverwöhnten Bodensee ist für sie zu Ende: Polizisten haben bei einer Razzia im Morgengrauen des 8.ten Juli 2015 acht mutmaßliche Mafia-Mitglieder im Kreis Konstanz gefasst. Die Italiener, von denen einige seit Jahrzehnten in Baden-Württemberg leben, sollen in ihr Heimatland ausgeliefert werden.

Ermittler aus Kalabrien werfen den Männer im Alter zwischen 40 und 69 vor, der kalabrischen 'Ndrangheta anzugehören. Sie zählt zu den mächtigsten Mafiaorganisationen Europas. Mit Drogen- und Waffenhandel, Geldwäsche, Erpressungen, Autoschiebereien und Falschgeldkriminalität werden Milliarden gescheffelt. Baden-Württemberg gilt schon lange als Rückzugsraum für Mafia-Mitglieder.

Ob die Tatverdächtigen sich kennen, sei noch unklar, sagte Ulrich Heffner vom Landeskriminalamt in Stuttgart. Bei der Aktion von Spezialeinsatzkräften aus sechs Bundesländern waren die Männer nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in Singen, Rielasingen, Engen und Radolfzell gefasst worden. Einige lebten dort mit ihren gesamten Familien.




Bei den Durchsuchungen entdeckten die Polizisten Pistolen und Revolver samt Munition, Gewehre und auch eine Pumpgun. In Italien nahm die Polizei gleichzeitig zwei weitere mutmaßliche 'Ndrangheta-Mitglieder fest, wie LKA und die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe mitteilten.

Ob die im Kreis Konstanz gefassten Männer in Italien auch wegen schwerer Delikte wie Körperverletzung, Erpressung oder gar Mord gesucht werden, konnte Heffner nicht sagen. In Baden-Württemberg hätten sie sich nichts strafrechtlich Relevantes zuschulden kommen lassen. "Wir hatten sie nicht im Visier." Stattdessen sollen die Tatverdächtigen eher zurückgezogen und unauffällig gelebt haben. Teure Sportwagen, prächtige Luxusvillen, Champagner zum Frühstück - dem Klischee von protzenden Mafiosi entsprächen sie nicht.

Im Südwesten seien 140 Verdächtige mit möglichen Bezügen zur organisierten Kriminalität Italiens bekannt, sagte Kriminaloberrat Sigurd Jäger. Im ganzen Bundesgebiet seien es um die 450. Nach Erkenntnis der Ermittler geht ein beachtlicher Teil keiner Arbeit nach, hat aber trotzdem genug Geld. "Baden-Württemberg ist sowohl Betätigungsfeld als auch Rückzugsraum", sagte Jäger, der beim LKA die Inspektion Organisierte Kriminalität leitet.

Schwerpunkte der Aktivitäten sind der Großraum Karlsruhe, Stuttgart, der Rems-Murr-Kreis und Konstanz. Die 'Ndrangheta ist in Deutschland vor allem im Westen und in Baden-Württemberg aktiv. Der sechsfache Mafia-Mord von Duisburg im August 2007 ging auf das Konto zweier seit langem verfeindeter 'Ndrangheta-Clans. "Die Mafia ist eine große Gefahr. Denn sie besitzt eine gewaltige finanzielle Macht. Mit dieser versucht sie, demokratische Entscheidungsprozesse zu beeinflussen. Diese Gefahr besteht in Deutschland auch."


Ein Mafiaboss - von Singen nach Italien geflohen, wurde in seinem Haus
in Kalabrien verhaftet


Die am Bodensee festgenommenen Italiener sollten noch am Dienstag vor einen Ermittlungsrichter kommen. In Italien ermitteln Polizisten seit Jahren gegen verschiedene 'Ndrangheta-Clans und deren Mitglieder.

Im Januar hatten Spezialkräfte im Kreis Esslingen einen damals 25-Jährigen gefasst, der Mitglied in der apulischen Mafia-Vereinigung Sacra Corona Unita sein soll. 2013 wurden zwei in Italien gesuchte mutmaßliche Mafia-Mitglieder in Metzingen (Kreis Reutlingen) und Singen festgenommen. Und schon 2011 schnappte die Polizei fünf Männer im Kreis Konstanz, die Mitglieder der 'Ndrangheta gewesen sein sollen.


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