Mittwoch, 11. Februar 2015

Die Büchermafia und ihr bayerischer Arm


·         Mehr als 1000 wertvolle Werke, darunter Originalausgaben von Galilei oder Kopernikus, sind aus einer Bibliothek in Neapel gestohlen worden.

·         Die Hälfte der Bücher ist in einem Münchner Auktionshaus aufgetaucht und wird nun zurückgegeben.



         
      
Politiker und Geistliche aus Italien sind in den Fall verstrickt.
 Jahrelang ist die Biblioteca dei Girolamini in Neapel - eine der mit antiquarischen Büchern am reichsten bestückten Bibliotheken Italiens - regelrecht geplündert worden. Von ihrem eigenen Direktor und seinen Helfershelfern.

 Mehr als 1000 Werke, die überwiegend aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammen, schaffte Marino Massimo De Caro beiseite, um sie an ein Netz von antiquarischen Buchhändlern zu verkaufen. 


543 gestohlene Bücher stellte die italienische Justiz mit Unterstützung des bayerischen Landeskriminalamtes (LKA) im Mai 2012 in einem Münchner Auktionshaus sicher. Wie Peter Preuß, Sprecher der Staatsanwaltschaft München I, am Mittwoch mitteilte, werden die Bücher im Wert von mindestens 2,5 Millionen Euro jetzt an Italien zurückgegeben.

Selbst im von Korruption und Mafia gebeutelten Italien wirkte die Nachricht vom Diebstahl in den Jahren 2011 und 2012 wie ein Schock: Die Originalausgaben von Johannes Keplers "Astronomia Nova", Galileo Galileis "Sidereus Nuncius" und Nikolaus Kopernikus' "De revolutionibus orbium coelestium" waren wie viele andere unersetzbare Werke aus der Biblioteca dei Girolamini verschwunden. 

Unter Verdacht geriet der Direktor Massimo De Caro, eine schillernde Gestalt: 1973 in Bari geboren, selbst Autor eines Buches über Galilei, Honorarkonsul von Uganda und Berater russischer Oligarchen. Er hatte die bedeutenden Kulturgüter aus dem 170 000 Werke umfassenden Bestand der Bibliothek beiseite geschafft.

Einige wurden bei internationalen Auktionen versteigert. Immerhin 250 wurden gerade noch rechtzeitig am Flughafen von Neapel sichergestellt, von wo aus sie nach Argentinien geschmuggelt werden sollten. Weitere gestohlene Bücher tauchten in Lagerhallen in Verona auf, und auch ein prominenter italienischer Politiker hatte einige Bände in seiner Mailänder Bibliothek.


Bücher wurden für je 35 000 Euro verkauft.

Es handelte sich um den Senator und Berlusconi-Vertrauten Marcello Dell'Utri, der jedes Jahr die wichtigste Buchantiquariatsmesse in Italien veranstaltet und wegen Mafia-Verbindungen schon in zwei Instanzen verurteilt wurde. Dell'Utri soll es eingefädelt haben, dass De Caro zum Direktor der Bibliothek in Neapel gemacht wurde und sie ausplündern konnte. Er schmückte sich mit falschen Hochschul- und Professorentiteln. Inzwischen ist De Caro zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Er gestand, einige Bücher für je 35 000 Euro verkauft zu haben.

Bis nach München reichte der Arm dieser neapolitanischen Büchermafia - De Caro soll bei seinen Diebstählen von einem Geistlichen unterstützt worden sein, der in der Bibliothek als Kurator arbeitete. Überraschend wurde in der Landeshauptstadt ein großer Teil des Diebesguts gefunden: 543 Werke - darunter auch die genannten von Kepler, Galilei und Kopernikus - wurden im Mai 2012 im damaligen Münchner Buchauktionshaus Zisska & Schauer sichergestellt. Ehe sie zum Aufruf kamen, beschlagnahmten Ermittler des LKA rasch die Lose.


Skandal kam durch Zufall ans Licht

Gegen den früheren Mitinhaber Herbert Schauer leitete die italienische Justiz ein Ermittlungsverfahren ein, an dessen Ende er zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Man warf ihm eine "moralische Mitwirkung bei bandenmäßigem Diebstahl" vor. Deutschland lieferte Schauer nach Italien aus, wo er etwa ein Jahr in Untersuchungshaft saß beziehungsweise unter Hausarrest stand. Er bestritt, dass er in den Handel mit den gestohlenen Büchern verstrickt sei, und kam schließlich auf freien Fuß. Das Urteil gegen ihn blieb jedoch bestehen, dagegen legte er voriges Jahr Rechtsmittel ein.




Aus dem Münchner Buchauktionshaus schied Schauer aus, nachdem seine Partner Unregelmäßigkeiten auch bei anderen Auktionen festgestellt hatten. Laut Börsenblatt des deutschen Buchhandels zählte der Mann bis dahin "zu den angesehensten deutschen Antiquaren". Er kündigte an, in Zukunft berufliche Berührungspunkte mit seinem bisherigen Betätigungsfeld zu vermeiden und wollte auch seine Lizenz als Auktionator zurückgeben.


Die skandalösen Zustände in der Biblioteca dei Girolamini in Neapel kamen eher zufällig durch den Besuch eines Kunsthistorikers ans Licht. Tomaso Montanari berichtete in einem Artikel in einer italienischen Zeitung von der Verwahrlosung der 1586 gegründeten Einrichtung. Danach wurde die Bibliothek geschlossen, deren Bestand nicht einmal systematisch katalogisiert war, obwohl die Sammlung Werke von unschätzbarem Wert enthält. 

Im April 2012 fiel dann bei einer genauen Inventur auf, dass einige dieser Werke verschwunden waren. An diesem Freitag erhält der italienische Staat die in München sichergestellten Bücher zurück. Vertreter der Münchner Justiz und des Landeskriminalamtes wollen sie an Staatsanwälte aus Neapel übergeben.
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