Donnerstag, 20. November 2014

Innenminister will Mafia-Vermögen beschlagnahmen

Verdächtige, die mit unnatürlich hohen Summen hantieren, sollen die legale Herkunft des Geldes beweisen. Das forderte Innenminister Thomas de Maiziere jetzt auf der BKA-Jahrestagung in Mainz. Vorbild im Kampf gegen die internationale Mafia-Kriminalität soll Italien sein.




Die Bundesregierung will den Kampf gegen die ausufernde internationale Mafia-Kriminalität auf neue Fundamente stellen. Sie denkt an rechtliche Möglichkeiten, das Vermögen von verdächtigen Schwerkriminellen schneller zu beschlagnahmen. Bundesinnenministerium und Bundeswirtschaftsministerium sind darüber im Gespräch, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) bei der Jahrestagung des Bundeskriminalamtes (BKA) in Mainz.

Der ausscheidende BKA-Chef Jörg Ziercke forderte in Mainz in diesem Zusammenhang die Beweislastumkehr: „Verdächtige sollten die legale Herkunft unnatürlich hoher Geldbeträge beweisen müssen“. Dieses Recht gilt zum Beispiel in Italien. Dort werden jährlich rund vier Milliarden Euro durch den Staat - meist bei der Mafia - abgeschöpft. In Deutschland sind dies auf der Basis der geltenden Gesetze gerade 80 000 Euro im Jahr.


Beweislast-Umkehr hebelt Unschuldsvermutung aus

Die Beweislastumkehr gilt als rechtlich problematisch, weil sie - so sagen es Kritiker - die geltende Unschuldsvermutung im deutschen Strafrecht aushebeln könnte. Im Koalitionsvertrag ist zwar von einer Erleichterung der Vermögensabschöpfung die Rede. Weitere Details fehlen allerdings.

De Maiziere setzt sich für eine stärkere Zentralisierung der Fahndung ein. Der Generalbundesanwalt soll die Zuständigkeit für die Verfolgung der organisierten Kriminalität und internationaler Ermittlungen von den Ländern erhalten. Bundesanwälte bearbeiten bisher nur Spionage, Terror-Ermittlungen und schwere Straftaten gegen die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik.

Der Bundesinnenminister denkt offenbar an ein britisches Vorbild. Er wies in Mainz darauf hin, dass Großbritannien gerade neue Polizeistrukturen aufbaut. London richtet eine „National Crime Agency“ ein, die nicht nur den Anti-Mafia-Kampf aufnehmen soll, sondern Grenzschutz-Zuständigkeiten erhält und auch Finanzermittlungen gegen Banken in der Londoner City führen wird.

Das Bundeskriminalamt hat in Mainz ein bedrohliches Bild der internationalen Kriminalitätslage gezeichnet. Nach den offiziellen Statistiken gab es im letzten Jahr in Deutschland 3 580 Verfahren gegen die Organisierte Kriminalität und 9155 Tatverdächtige. Sie richtete einen Schaden von 720 Millionen Euro an.


BKA kommt durch Netz-Verschlüsselungen nicht an Täter heran.

Der Aussagewert dieser Statistiken wird aber von der Bundesregierung inzwischen genau so bezweifelt wie von den Experten des BKA. Der Hintergrund: Die Sicherheitsbehörden kommen durch Verschlüsselungen im Internet und transnational arbeitende Banden gar nicht mehr an die Täter heran. Das Dunkelfeld ist deshalb nach ihrer Ansicht um ein Vielfaches höher - und die Auswirkungen sind direkt spürbar. Sabine Vogt, Abteilungsleiterin im Bundeskriminalamt: „Organisierte Kriminalität ist an der Haustür angekommen“.

International organisierte Banden stecken nach neuen Erkenntnissen der Fahnder hinter den gefürchteten Wohnungseinbrüchen, die 2013 einen Höchststand erreicht haben, wie auch hinter der Call Center-Kriminalität, bei der eine Million älterer Menschen mit „Enkeltricks“ und ähnlichen Raubzügen Opfer geworden sind.

Vogt machen zunehmende Aktivitäten von Rockerbanden Sorge, die sich teils schon dramatisch von den klassischen Motorrad-Gangs der Hells Angels und Bandidos unterscheiden und immer öfter ethnisch ausgerichtet sind. Kutten und Maschinen seien ohnehin nur noch „romantisierendes Beiwerk“.

„Deutschland exportiert inzwischen Rocker-Kriminalität“, sagt die BKA-Frau. Es gebe sogar Bemühungen, solche Banden in Afrika zu etablieren.


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