Sonntag, 29. Juni 2014

Exkommunikation der 'Ndrangheta

Man mag es kaum glauben – aber Mafiosi sind oft gläubige Menschen. Besonders wenn sie der Ndrangheta im süditalienischen Kalabrien angehören. Die Exkommunizierung bedeutet für deren Mitglieder die Höchststrafe. Papst Franziskus hat sie jetzt verhängt. Doch kann Kirchenrecht weltliches Unrecht wirksam bekämpfen?




Als der Papst vor Kurzem Kalabrien besuchte, hat er das Unfassbare getan: Er exkommunizierte ausdrücklich die Mitglieder der kalabrischen Mafia. Sie hätten die „Straße des Guten“ verlassen – so der Papst. Die Mafia sei eine Organisation, die auf der Gier nach Geld gegründet sei und das Böse anbete. Der Ndrangheta anzugehören hieße, sich den dunklen Mächten zuzuwenden und bedeute die „Verachtung des Gemeinwesens“.


Franziskus ist von Spenden nicht zu beeindrucken

Die Mafiosi sind geschockt. Bisher hatten sie solch klare Aussagen des Oberhauptes der katholischen Kirche, die sie mit großzügigen Spenden versorgten, nicht gehört. Bei einem Papst, der die Armut predigt und dem einfachen Leben huldigt, zieht das pekuniäre Argument aber nicht.


Kampfansage gegen die Mafia

Das Besondere der italienischen Lebensart war es schon immer, scheinbar Unvereinbares miteinander zu verbinden. Besonders anschaulich haben dies die italienischen Romanfiguren Don Camillo und Peppone verkörpert, der streng kommunistische Bürgermeister und der konservative katholische Pfarrer. Obwohl nach außen ärgste Feinde halten sie in Notsituationen doch immer zusammen und sind stets zur Stelle, wenn der andere Hilfe braucht.


Wieder ein Papst, der sich "einmischt"

So ambivalent wie diese beiden geht der neue Papst mit Widersprüchen wohl nicht wohl nicht.

Nachdem der Vorvorgänger, Johannes Paul II sich bereits massiv ins weltliche Geschehen eingemischt und maßgeblich zur erdrutschartigen Niederlage des Kommunismus in den osteuropäischen Ländern beigetragen hat, hat der jetzige Papst Franziskus offensichtlich die Mafia im Visier.


Tragischer Anlass

Bei seinem Besuch in Kalabrien war der Papst am 21.6.2014 mit der Familie des zu Anfang dieses Jahres in einem Auto verbrannten drei Jahre alten Jungen zusammengetroffen. Dieser war mit hoher Wahrscheinlichkeit Opfer eines zwischen rivalisierenden Mafia-Clans ausgetragenen Racheakts geworden. „Niemals mehr dürfen Kinder Opfer der Ndrangheta werden“ erklärte der Papst und brüskierte damit die mächtigste Verbrecherorganisation Italiens. Hauptgeschäftszweig der Ndrangheta ist der Drogenhandel, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und damit auch gegen die Lehren der Kirche, wie der Papst betont.


Keine Sakramente mehr für Mafiosi

Der Bischof im süditalienischen Cassano all Jonoi, Nunzio Galantino, hat die Priester seiner Diözese bereits aufgefordert, der Exkommunikationsanweisung des Papstes Folge zu leisten und den ihnen bekannten Mafiosi keine Sakramente mehr zu spenden. Die Verweigerung der Kommunion gegenüber örtlichen Mafiagrößen durch einzelne Priester wäre ein unglaublicher Affront und wäre für örtliche Mafiagrößen eine ungeheure Bloßstellung und Blamage.


Gefahr für Sakramente verweigernde Priester

Für die betreffenden Priester wäre dies wahrscheinlich mit größter Gefahr für Leib und Leben verbunden. Es ist daher zweifelhaft, ob eine nennenswerte Zahl an Priestern dem Ruf des Papstes folgen wird.

Nicht wenige erinnern sich an das Jahr 1993, als Papst Johannes Paul II nur scharfe Kritik an den Mafia-Strukturen übte. Bereits dies bezahlte eine Reihe von Priestern in Süditalien mit dem Leben - eine Warnung der Mafia an die Kirche. Die Worte des Papstes sind also keinesfalls ungefährlich.


Erste Papst-Kritiker

Inzwischen formiert sich bereits eine kleine Kritikerschar gegenüber dem bisher ziemlich unangefochten operierenden Papst Franziskus. Die Kritiker zweifeln an, ob der Papst mit seinen klaren Reden angesichts des mafiösen Bedrohungspotenzials tatsächlich praktisch etwas bewirken könne. Die Kritiker merken an, der Papst habe in Lampedusa die Europäische Union kritisiert und den italienischen Staat mit scharfen Worten aufgefordert, die afrikanischen Flüchtlinge auf menschenwürdige Weise aufzunehmen. Gefolgt sei seitens der Regierungen nichts.

Andere verweisen allerdings darauf, dass nach der Kritik des Papstes sich das Verhalten der Marine beim Aufgreifen von Flüchtlingen im Meer deutlich verändert habe. Auch die EU habe auf die Kritik mit einer Erhöhung ihrer Flüchtlingskontingente reagiert, wenn bisher auch nicht im gewünschten Ausmaß. Die Auswirkungen der päpstlichen Worte auf die Menschen sei auch in Kalabrien nicht zu unterschätzen.


Deutschland von der Mafia unterwandert

Auf die praktischen Folgen der Papstworte darf man also gespannt sein. Gerade der Einfluss auf das Denken auch der Mafia nahe stehender Menschen dürfte der Grund für die Angst der Bosse sein. Für diese steht viel auf dem Spiel. Was als Opiumankauf in Südamerika beginnt, führt am Ende in Kalabrien zu einer wundersamen Geldvermehrung.

Die Ndrangetha hat sich inzwischen darauf spezialisiert, einen Großteil der Gewinne in Immobilienkäufe in Deutschland zu investieren. In Ostberlin, in Leipzig und Dresden gehören der Organisation inzwischen ganze Stadtviertel. Experten gehen davon aus, dass die Macht der Ndrangheta – zumindest in finanzieller Hinsicht – in Deutschland inzwischen wohl so groß ist wie in Italien. Mögen die Worte des Papstes durchaus zu einer positiven Beeinflussung Einzelner beitragen, die weltweit wachsenden mafiösen Strukturen wird er nur schwer brechen können.


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