Dienstag, 29. April 2014

Der schwierige Kampf gegen die Mafia

Italienische Strafverfolger halten die deutschen Gesetze für unzureichend. Doch in Solingen profitiert ein Verdächtiger auch von der italienischen Justiz. Ein Gespräch mit Palermos Generalstaatsanwalt Roberto Scarpinato.


Der Generalstaatsanwalt von Palermo, Roberto Scarpinato


Der Generalstaatsanwalt von Palermo, Roberto Scarpinato, weiß, warum die Mafia nach Deutschland drängt: „Die Mafia handelt wie ein Unternehmen. Sie breitet sich dort aus, wo es ihr die Gesetze eines Landes leicht machen, Investitionen zu machen und Geld zu waschen, wo Eigentum nur schwer beschlagnahmt werden kann.“ Wie schwer es für die deutschen Behörden ist, Mafiosi zu verfolgen erläutert Scarpinato am Beispiel von Antonio Rossi*. Der wohnt in Solingen, führt ein Lokal und lebt weitgehend unbehelligt von der Justiz. Scarpinato kennt ihn trotzdem, denn in Italien wurde Rossi in erster Instanz zu 23 Jahren Haft verurteilt.

„Antonio Rossi kontrollierte in Deutschland und Italien ein Netz von Firmen und Strohleuten, um Drogenhandel zu verschleiern. Die deutschen Behörden haben es aber nicht geschafft, durchgängige Abhörmaßnahmen gegen ihn in Gang zu setzen.“ Die deutsche Polizei stoppte die Ermittlungen. Langfristige und weitreichende Lauschangriffe sind nur bei einer geringen Anzahl von Vergehen gestattet.
Antonio Rossi

Das Anti-Mafia-Büro in Palermo nahm die Ermittlungen auf. Nach zwei Jahren Abhören wurden fast 50 Personen verhaftet. Antonio Rossi wurde keine direkte Mitgliedschaft in der Mafia vorgeworfen. Aber seine Nähe zur Mafia ist im anschließenden Verfahren deutlich geworden. So ist er mit den Paten eines brutalen Clans verwandt, der dutzende Morde verantwortet.


Zentrale der Anti-Mafia-Polizei in Rom


Lauschangriffe werden in Deutschland nur selten genehmigt Scarpinato hält die deutsche Gesetzgebung für unzureichend: Zunächst gibt es, anders als in Italien, keinen Straftatbestand der Mitgliedschaft in der Mafia. In Deutschland gibt es zwar den Tatbestand der kriminellen Vereinigung. Doch um hier ein Verfahren zu eröffnen, müssen dieser in der Regel erstmal kriminelle Handlungen nachgewiesen werden. Aber Lauschangriffe werden genauso selten genehmigt wie Hausdurchsuchungen. Schwere Straftaten werden so erst gar nicht entdeckt.

Zum zweiten ist es in Deutschland schwerer, die Vermögenswerte von Mafiosi zu beschlagnahmen. In Italien kann das ganze Vermögen eines Mafia-Unterstützers beschlagnahmt werden. Dieser muss darlegen, dass er das Geld rechtmäßig erworben und versteuert hat. Kann er das nicht, fällt das Vermögen an den Staat. In Deutschland muss der Staat nachweisen, dass ein Anteil des Vermögens unrechtmäßig erworben wurde. Und nur dieser Anteil wird gepfändet.

In Italien verliert die Mafia ihr Kapital, in Deutschland behält sie es, wenn sie nur clever genug auf Strohleute setzt. Scarpinato: „Wenn in Deutschland der Kellner einer Pizzeria zehn Millionen Euro hat, kann sein Geld nicht beschlagnahmt werden, bis bewiesen wurde, dass er das Vermögen aufgrund von konkreten Straftaten illegal erworben hat.“ In Deutschland wurden nur 2012 lediglich 88.000 Euro beschlagnahmt. Alleine das Büro von Scarpinato hat zwischen 2006 und 2010 über drei Milliarden Euro beschlagnahmt. Aus einem internen Bericht des Bundeskriminalamtes (BKA) geht hervor, dass 2012 in ganz Deutschland nur 90.000 Euro im Zusammenhang mit Mafiaermittlungen beschlagnahmt wurden. Deshalb legt die Mafia ihr illegales Geld lieber in Deutschland an.

Dass Antonio Rossi trotz der italienischen Strafverfolgung noch auf freiem Fuß ist, liegt an der italienische Justiz. Denn die ist sehr langsam. Das Urteil gegen ihn wurde in der nächsten Instanz noch nicht bestätigt. Und so lange kann sich Rossi unbehelligt bewegen. Er betreibt eine Kneipe. Bei einem Besuch schließt er hinter dem Reporter die Tür ab. Dann sagt er mit erhobenem Zeigefinger: „Ich habe noch nie etwas Kriminelles gemacht. Ich habe keine Drogen gehandelt – und noch nicht mal an einem Joint gezogen.“ Er werde zu Unrecht kriminalisiert. Dann lacht er. Der Reporter darf wieder gehen.

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