Freitag, 31. Januar 2014

Mafiagelder: Touristenkomplex beschlagnahmt

Brancaleone  
Italiens Finanzpolizei hat in Kalabrien einen ganzen Touristenkomplex im Wert von 200 Millionen Euro beschlagnahmt, an dem die Mafia kräftig verdient haben soll.

Hotelbungalows in Brancaleone

Die beiden 'Ndrangheta-Clans Aquino und Morabito werden verdächtigt, bei der Konstruktion von Villen in dem Badeort Brancaleone an der Stiefelspitze mitgemischt zu haben, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Fünf Personen - Unternehmer und Staatsbeamte - wurden wegen mutmaßlicher Begünstigung illegaler Mafia-Geschäfte angezeigt.

Landesweit hat die Finanzpolizei im Jahr 2013 Güter der organisierten Kriminalität im Wert von drei Milliarden Euro beschlagnahmt, deutlich mehr als 2012.
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Von der Mafia vertrieben, in Bozen empfangen

Der Bozner Bürgermeister Luigi Spagnolli empfing am Mittwoch den ehemaligen Bürgermeister von Sinopoli in Kalabrien, Domenico Lupino, der von der Mafia vertrieben worden war.

Domenico Luppino

"Wir möchten auch Menschen, die weit weg leben, vor der N'drangheta warnen", sagte Domenico Luppino, "denn die N'drangheta ist weltweit organisiert und kommt gerne dorthin, wo Wohlstand ist. Die kriminelle Organisation ist grenzenlos liquide, und das kann gefährlich werden".



Der ehemalige Bürgermeister von Sinopoli in Kalabrien weiß, wovon er spricht. 2005, vor fast zehn Jahren, musste er sein Bürgermeisteramt aufgeben, nachdem er tagtäglich bedroht worden war. Er gab nicht auf, weil ihn die Angst gepackt hatte, sondern weil alle Gemeinderäte ihren Rücktritt eingereicht hatten, "aus familiären Gründen", wie sie in ihren Rücktrittsschreiben angaben.


"Ich bin gezwungen, mutig zu sein"

Luppino ist in diesen Tagen in Südtirol unterwegs, um die Initiative Giovani in Vita vorzustellen. "Ich bin gezwungen, mutig zu sein", sagt er.

Am Mittwoch wurde er von Bürgermeister Luigi Spaniolli im Rathaus empfangen. "Wir legen Wert darauf, dass sich die Gesellschaft an gemeinsame Regeln hält", betonte Spagnolli, als er Luppino und dessen Initiative vorstellte.


 Luigi Spagnolli

 Rudi Dalvai, der Luppino als Koordinator der Südtiroler Weltläden begleitet, erläuterte, dass sich die Weltläden für fairen Handel und faire Produktionsbedingungen weltweit einsetzen, dass es aber auch in der Nähe Unterstützung brauche. "Wer nur kurz in Kalabrien war und das Abbrennen von Häusern, Bäumen und Bienenstöcken mitbekommen hat, ist verunsichert und beeindruckt, und will etwas dagegen tun."


Mafiafreie Genossenschaft "Giovani in vita"

Luppino ist heute Präsident der Genossenschaft Giovanni in Vita“ die landwirtschaftliche Produkte herstellt, Produkte, die nicht von der Mafia kontrolliert sind.

"Unsere Genossenschaft hat 23 Mitglieder, 15 Jugendliche arbeiten rund ums Jahr bei uns, in der Erntezeit sind es viel mehr". Das, was ihm am meisten Freude bereite sei, "dass wir diese Jugendlichen der N'Drangheta entzogen haben, dass sie eine legale Arbeit haben".
Die meisten von ihnen waren deshalb gezwungen, "mit ihren Ursprungsfamilien zu brechen". Heute werden sie als "Infami" betrachtet, wie alle, die der N'Drangheta nicht zu Diensten sind.


Attentate hören nicht auf

Die Genossenschaft "Giovanni in Vita stellt unter anderem Olivenöl her, das nun auch über die Südtiroler Weltläden vermarktet wird. Dank eines gesicherten Absatzes können die Jugendlichen mit einer sicheren Arbeit rechnen und mit einer besseren Zukunft.
Es braucht aber weiterhin Mut, in Sinopoli zu leben. Die Attentate hören nämlich nicht auf. Immer wieder werden hundertjährige Olivenhaine angezündet.


Aktion der Cooperative "Giovanni in Vitagegen die 'Ndrangheta



In den ersten zwei Februarwochen kann das Öl aus Sinopoli in den Weltläden verkostet, gekauft und vorbestellt werden.

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Polizei nimmt Mafioso vor Versteck bei Pforzheim fest

Wie die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen erst jetzt mitteilt, ist ein von den italienischen Justizbehörden wegen Mitgliedschaft in einer Mafia-Organisation gesuchter 60 Jahre alter Italiener am vergangenen Freitag in Engelsbrand festgenommen worden. Der Gesuchte war von der italienischen Justiz wegen illegalem Drogenhandel und Schutzgelderpressung in seiner Abwesenheit im Mai 2013 zu 14 Jahren Haft verurteilt worden.

Bereits Ende 2013 hatten sich Hinweise ergeben, dass sich der 60-Jährige im Enzkreis aufhalten könnte. Weitere Ermittlungen erhärteten den Verdacht, dass sich der Gesuchte unter Verwendung falscher Personalien in Engelsbrand versteckt hielt. Gezielt wurde der Mafioso von Polizisten observiert, bevor er von Beamten des Fahndungsdienstes Pforzheim am Freitagmorgen gegen 9 Uhr vor seinem Fluchtversteck durch vier Beamte der Pforzheimer Polizei widerstandslos festgenommen werden konnte.

Nach den anschließend durchgeführten polizeilichen Untersuchungen stand zweifelsfrei fest, dass es sich um den gesuchten Italiener handelt, der sich mit gefälschten Dokumenten ausgewiesen hatte. Der Mann wurde beim zuständigen Amtsgericht in Pforzheim einem Haftrichter vorgeführt und auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe inzwischen in Auslieferungshaft genommen.

In welchem Umfeld sich der 60-Jährige in Engelsbrand und darüber hinaus bewegt hat, ist bislang unbekannt. Auch die näheren Umstände, die ihn zu einem Versteck im Nordschwarzwald geführt haben, liegen momentan im Dunkeln. Das könnte aber auch so bleiben, denn Ermittlungen im Bereich von kriminellen Vereinigungen wie der Mafia werden aus Gründen der Sicherheit und Taktik nur ungern ausführlicher offenbart.

Montag, 27. Januar 2014

Spektakulärer Doppelmord in Catanzaro / VIDEO

Mehrere Mitglieder der 'Ndrangheta wurden durch eine Videokamera gefilmt, wie sie zwei Männer in einer Bar erschossen haben. Die Morde wurden, wie sich jetzt herausstellte, von Lucio Musolino - Clanchef der 'Ndrangheta - angeordnet, den man in Catanzaro den Henker nennt. 


Der Videoclip zeigt eine nie gesehene Brutalität und Kaltblütigkeit, zumal unschuldige Augenzeugen in der Bar anwesend waren und das Geschehen mit verfolgten, dann aber rechtzeitig fliehen konnten.

Lucio Musolino

Deutscher Steuerberater betrügt Mafia um Millionen

In seiner Gier nach Geld macht ein querschnittsgelähmter Steuerberater Geschäfte mit der US-Mafia. Er betrügt sie um Millionen. Im Gefängnis entdeckt er Gott. 




Er hat den großen Auftritt geliebt. Josef Müller besitzt zu seinen guten Zeiten alles, was ein ambitionierter Jetsetter braucht: eine Villa, eine Autoflotte (unter anderem einen schwarzen Rolls-Royce mit weißem Fahrer und einen weißen mit schwarzem Chauffeur), eine Jacht und die Gunst schöner Damen. Heute sind Mammon, Luxuskram und die Frauen – zumindest die meisten – weg. Denn 2007 wurde der 58-Jährige von der 6. Strafkammer des Landgerichts München 1 wegen millionenschweren Anlagebetrugs zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Und ohne Koks und Kohle ist ein Josef Müller für die Schickeria so uninteressant wie der Korken einer leeren Champagnerflasche. Bei ihm ist nichts mehr zu holen. Müller lebt von einer kleinen Waisenrente in seinem Elternhaus in Fürstenfeldbruck. Die meisten seiner Gläubiger, auch Augsburger Ärzte, sind bisher leer ausgegangen.


40 Millionen Dollar Schulden hat er noch

Da sitzt Müller nun – nicht mehr im Nobelrestaurant, sondern in der Kantine unserer Zeitung. Das abgetragene blaue Sakko hat schon bessere Tage gesehen. Er zeigt aber noch immer das Lächeln eines talentierten Menschenfängers. Müller klingt ein wenig gehetzt, als er zu einer Tasse Cappuccino über zwei Stunden lang sein unglaubliches Leben erzählt. Ob das daran liegt, dass er einem amerikanischen Mafiaboss noch 40 Millionen Dollar schuldet.


In der Münchner Schickeria ist er als Konsul von Panama bekannt

„Wenn ich mich auf eines verlassen konnte, dann auf die Gier der Menschen“, schickt Müller seiner Geschichte voraus. Es ist die Beichte eines Mannes aus kleinen Verhältnissen, den die Münchner Schickeria in den 90er Jahren als „Konsul von Panama“ kennt, und der es trotz seines Handicaps als Rollstuhlfahrer mit hohen Renditeversprechen bis zum Multimillionär gebracht hat. Aber Müller reichte das nicht. Er wollte das ganz große Rad drehen und kam auf die schiefe Bahn, die nicht nur für Rollstuhlfahrer gefährlich ist.





"Ich wollte mir beweisen, dass ich der größte bin"

Doch der Reihenfolge nach. Geboren als Bub eines Polizisten in Fürstenfeldbruck entwickelt der Kleinstädter schon als Halbwüchsiger eine Vorliebe für schnelle Autos. Mit seiner ersten Freundin verunglückt er 1973 auf der Heimfahrt von einer Landsberger Diskothek in einem Ford Mustang schwer. Er landet querschnittsgelähmt im Rollstuhl. Was andere deprimiert hätte, spornt Müller an: „Es hat mich nie gestört, ich sah es als Herausforderung an.“ Er wird Steuerberater, macht den Pilotenschein, sämtliche Bootsführerscheine und springt sogar mit dem Fallschirm ab. „Ich wollte mir beweisen, dass ich der Größte bin“, räumt Müller ein und nippt am Kaffee.

Je mehr er sein Leben beschleunigt, desto näher rückt der Sündenfall. Binnen kurzer Zeit besitzt der Mann im Rollstuhl Anfang der 90er Jahre vier Kanzleien mit fünfzig Mitarbeitern und etliche andere Firmen. Er hat ein Auskommen, mit dem die meisten anderen Menschen zufrieden wären. Müller nicht: „Ich war gierig und wollte wie König Midas in der griechischen Sage unendlich reich werden.“


Umgang mit bekannten Persönlichkeiten puschte sein Ego

Beflügelt vom Kokain lässt Müller es krachen, genießt dank seines schnell erworbenen Vermögens das volle Programm – von Champagner-Orgien bis hin zu teuren Callgirls. Um sein maßloses Ego zu befriedigen, Geld reicht dazu längst nicht mehr, umgibt er sich mit mehr oder minder glitzernden Gestalten wie  La Toya Jackson, Gloria von Thurn und Taxix, die al-Gaddafi-Familie, Kalle Schwensen, Roberto Blanco, den Wepper-Brüdern oder  Heiner Lauterbach. Selbst Prinz Charles lädt den neureichen Münchner jährlich zu seinen Festen ein.

„Das Geld in Kombination mit meinem Rollstuhl öffnete mir viele Türen“, erklärt Müller rückblickend. Das Glück scheint ihm damals hold, zunächst laufen die Börsengeschäfte gut. An manchen Tagen verdient er bis zu 250  000 Dollar. Nebenbei sammelt Josef Müller, der seinen Vornamen inzwischen mit „ph“ beendet, damals Titel. Der Steuerberater wird Honorarkonsul von Panama und in Monaco Botschafter von Zentralafrika. Er eilt die Gesellschaftsleiter hoch.


Von einem US-Mafia-Boss bekommt er den 40 Millionen Auftrag

Von einem amerikanischen Mafia-Boss, der zu den zehn meistgesuchten Verbrechern der Vereinigten Staaten gehört, bekommt er den Auftrag, 40 Millionen Dollar gewinnbringend in Deutschland anzulegen. „Ich schleppte das Bargeld in sechs Samsonite-Koffern von Miami nach München, wo ich es bei einer großen Bank einzahlte“, erzählt Müller und fährt sich mit der Hand nachdenklich durch das graue Stoppelhaar. Geblieben sei ihm nichts, beteuert er. 30 Millionen habe er bei Devisengeschäften verloren, zehn durch ein Fehlinvestment in eine private Krebsklinik, die pleitegeht. Der Mafiaboss sieht das anders und droht ihm, einen Killer zu schicken.


Wegen seiner Behinderung kommt Müller nicht ins Gefängnis

Auch mit seinen anderen Aktivitäten geht es den Bach runter. 1994 wird er in München wegen Bankrotts, Konkursverschleppung, Kreditbetrugs, Untreue und Steuerhinterziehung zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Doch der glamouröse Gauner hat Fortune. Weil ihm eine hohe Pflegebedürftigkeit bescheinigt wird, findet sich kein Platz in einer bayerischen Justizvollzugsanstalt. Müller bleibt also frei – und kurbelt die Geschäfte sofort von Neuem an.


Für sein soziales Engagement wird er von Edmund Stoiber geehrt

Der Geläuterte beteuert aber, auch damals kein schlechter Mensch gewesen zu sein. Er hat in den 90er Jahren den Verein „handiCap – gemeinsam geht’s besser“ gegründet und gibt ein Hochglanzmagazin für Behinderte heraus. Vom damaligen Ministerpräsidenten Edmund Steuber wird er dafür geehrt und 1996 in den Kaisersaal der Residenz eingeladen. Es ist Balsam auf die rastlose Seele des Ruhmsüchtigen.


Erneute Geldgeschäfte misslingen

Geblendet von seiner Inszenierung und dem Szene-Geflüster auf Golfplätzen, er sei ein erfolgreicher Börsenspekulant, Vertrauen ihm beziehungsweise seiner Firma, der „Ascania Vermögensverwaltungs-GmbH“, wieder viele Reiche ihr Vermögen an. Müller sagt heute lachend: „Die haben mir ihr Geld regelrecht hinterher geworfen!“

Er verspricht es mit Renditen von zehn Prozent zu vermehren – er verspielt alles. Einen Teil des Gelds hat er für die Finanzierung seines pompösen Lebensstils abgezweigt. „Gier macht einen blind, weil man immer mehr erreichen will und es nie reicht“, sagt er heute. Der einzige Ausweg sei die Zufriedenheit. Müllers Stimme knarzt bei diesen Sätzen sentimental.


Im Gefängnis findet er Trost im Glauben an Gott

Nach abenteuerlicher Flucht (die eine eigene Geschichte wert wäre) über London und Miami wird der gescheiterte Millionenjongleur in Wien gefasst und in München verurteilt. Als er im August 2010 aus der Haft entlassen wird, ist er ein anderer Mensch. Müller behauptet, Gott habe zu ihm gesprochen.

Was immer man davon halten will. Tatsache ist, der Millionenbetrüger scheint inzwischen begriffen zu haben, dass er sich letztendlich selbst betrogen hat, und die Menschen nicht ihn, sondern nur sein Geld geschätzt haben. Jetzt verkündet der Fast-Mittellose das Wort des Herrn und hält Vorträge über die zerstörerische Wirkung der Gier.


Seine Frau hat Müller mit seinem früheren Bodyguard verlassen. Geld sammelt der Ex-Hasardeur immer noch leidenschaftlich. Gelernt ist schließlich gelernt. Zuletzt waren es eigenen Angaben zufolge 700 000 Euro für den Bau eines Gebetshauses im Augsburger Stadtteil Göggingen. Er sei jetzt glücklich, sagt Josef Müller – trotz 50 Millionen Schulden. „Denn jetzt habe ich Gott, das ist viel mehr wert als alle Kohle dieser Welt!“.

Sonntag, 26. Januar 2014

Mafia nutzt ihre Investitionsmacht

Mit der Krise in Italien wächst auch die Wirtschaftskriminalität. Das Geschäft der Mafia mit Lebensmitteln und Landwirtschaft blüht. Aus den Paten sind kluge Unternehmer geworden.
"Wer sich gegen uns stellt, bekommt ein paar Probleme. In Marsala entscheiden wir, zu welchem Preis die Melonen verkauft werden." Hinter den Melonen, von denen der belauschte Unternehmer spricht, verbergen sich weder Drogen noch Waffen. Massimo Sfraga brüstete sich am Telefon, das von den sizilianischen Staatsanwälten abgehört wurde, tatsächlich seiner Macht im Handel mit den süßen Feldfrüchten. Ob die Bauern ihre Ernte für zehn Cent oder einen Euro loswerden, entscheide er. "Wir können sie zu jedem Preis verkaufen. Von 1000 Melonen-Reihen in Marsala gehören800 uns", prahlte Sfraga, der Verbindungen zur Familie des inhaftierten Mafia-Bosses Toto Riina verdächtig ist. Die kleinen Erzeuger müssen ihre Melonen zu dem Preis verkaufen, den die Gebrüder Sfraga festlegen. Konkurrenz? Gibt es nicht.

 Massimo Sfraga

Das Melonen-Kartell von Marsala ist kein Einzelfall. Italien steckt in der Krise, mafiöse Verbindungen haben leichtes Spiel. Alarmiert stellte die Justiz "eine durchdringende Infiltration der Mafia in das lokale Wirtschaftsgewebe" fest. Infolge ihrer Ermittlungen wurden in den vergangenen Jahren 90Nahrungsmittelhersteller und 2500 Ländereien beschlagnahmt. Sogar die gefürchtetsten Bosse haben im Essen einen interessanten Geschäftszweig entdeckt.
Bei Matteo Messina Denaro, dem seit 20 Jahren flüchtigen obersten Paten der sizilianischen Cosa Nostra, den das amerikanische FBI als einen der gefährlichsten Rauschgifthändler der Welt sucht, legten die Anti-Mafia-Jäger landwirtschaftliche Firmen, bäuerliche Urlauberherbergen und Supermärkte lahm. 

Matteo Messina Denaro

Der berüchtigte Camorra-Clan Casalesi, dessen wirtschaftskriminelle Machenschaften von dem Schriftsteller Roberto Saviano im Bestseller "Gomorrha" enthüllt wurden, ist in seinen Hochburgen nördlich von Neapel im Geschäft mit Büffelmozzarella besonders aktiv. In Kalabrien beschlagnahmte die Polizei Anlagen der 'Ndrangheta zur grünen Stromerzeugung.
Und so ist es kein Zufall, dass die Justizbehörden das größte und wertvollste Landgut nicht im mafiaverseuchten Süditalien fanden, sondern in der Toskana. Nahe der wohlhabenden Hügelstadt Siena investierte die Familie Graviano, die ihr Schreckensregime über das Viertel Brancaccio in Palermo führt, Einnahmen aus der Schutzgelderpressung und dem Drogenhandel in das Gut Suvignano in Monteroni d'Arbia. Es umfasst 713 Hektar Land für Korn- und Gerstenanbau, Olivenhaine, Wälder, 13 Gutshäuser, eine herrschaftliche Villa, ein Jagdrevier, 200 Schweine und 2000 Schafe. Suvignano belegt: Die Mafia leitet ihr unerschöpfliches Kapital zur Geldwäsche auch in die Landwirtschaft im Norden.
14 Milliarden Umsatz aus der Landwirtschaft
Die Folge: Der Umsatz der Agro-Mafia ist in den vergangenen beiden Jahren um zwölf Prozent auf 14 Milliarden Euro gestiegen. Diese Bilanz zog ein 215 Seiten umfassender Bericht, den der Bauernverband Coldiretti in Zusammenarbeit mit dem römischen Forschungsinstitut Eurispes erstellt hat. "Die Nahrungsbranche ist zur neuen Quelle mafiöser Bereicherung geworden", stellen die Forscher in der ersten Studie über Lebensmittel-Kriminalität fest.
Sie stützen sich auf Ermittlungsergebnisse der Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft, Carabinieri, Finanzpolizei, Zoll und Gesundheitsbehörden. Ihre Erkenntnis: Trotz der notorischen Ertragsschwäche der Nahrungsbranche regt das Agrargeschäft verstärkt den Appetit der Mafiosi an. Auch in der Gastronomie verschärft die Mafia ihre Kontrolle. Am Mittwoch hob die römische Polizei einen Ring der Camorra-Familie Contini aus, der in der Altstadt zwischen Piazza Navona, Pantheon und der Spanischen Treppe 22Pizzerien, Restaurants und Bars betrieb. Bei der Razzia wurden 22 Verdächtige verhaftet und 100 Millionen Euro Vermögen beschlagnahmt.

Camorra-Boss Contini
Die Ermittler glauben, dass sie es im Schatten der Peterskuppel nicht mehr mit klassischen Waschsalons für Drogengelder zu tun haben. Die Clans agierten inzwischen als Investoren für angeschlagene Betriebe. Sie verfügen über das, was dem Staat und den Firmen fehlt: Geld. Sie nutzen die Notlage vieler Erzeuger aus, denen die Banken im Zuge der Kreditklemme die Finanzierung verweigern. Neu ist die Verflechtung von Mafia und Wirtschaft nicht. Aus den Bossen sind kluge Unternehmer geworden, die gezielt in die legale Wirtschaft investieren.
Nun bereichern sie sich auch am weltweiten kulinarischen Erfolg Italiens. "Am großen Geschäft mit dem Essen nehmen neue Akteure teil", schreibt Coldiretti. Das organisierte Verbrechen sei in der Lage, Geschäftspläne aufzustellen, Beziehungen zum Banksystem und zum Großhandel zu knüpfen und sogar politische Entscheidungen und die Arbeit der Sicherheitskräfte zu beeinflussen.
Das jahrelange Bemühen um Transparenz und den Schutz der Qualität von Lebensmitteln sei gefährdet, fürchtet der Agrarverband. Die Folge: ein neuer Wirtschaftskrieg. Kriminelle gegen gewissenhafte Erzeuger, die sich der Herstellung unverfälschter Lebensmittel widmen. So muss der Orangenbauer, der sich nicht gefügig machen lässt, mancherorts das Zeug zum Helden haben. Der Wettbewerb bleibt auf der Strecke.
Um die gesamte Produktionskette vom Acker bis zum Supermarktregal in den Griff zu bekommen, setzt die Agro-Mafia zwei Methoden ein: Sie tritt als Schutz- und Erpressungsmacht auf, um die Kontrolle von Unternehmen an sich zu reißen. Zudem bringt sie sich als Scharnier zwischen den Erzeugern und den Verbrauchern in Stellung. Wie tief die Landwirtschaft bereits infiltriert wurde, offenbarte ein Schlag gegen die Gemüse-Mafia. 2010 ließen die italienischen Mafia-Jäger in Fondi ein Verbrecherkartell hochgehen, das den dortigen Großmarkt für Obst und Gemüse beherrschte. Der Umschlagplatz auf dem Weg von Rom nach Neapel gehört zu den wichtigsten in Europa. Über Fondi wird der Norden mit Früchten und Gemüse aus dem Süden versorgt. Zu der Großrazzia rückte die Polizei mit 70 Haftbefehlen aus.
In seltener Eintracht hatten kampanische Camorristi des Casalesi-Clans und sizilianische Mafiosi ein Handelsmonopol errichtet, das sich von den Großmärkten in Vittoria auf Sizilien über Fondi im Latium bis nach Mailand erstreckte. Erzeugerkooperativen, illegale Erntehelfer, Spediteure, Verpackungshersteller, Marktstände - das Kartell kontrollierte jede Stufe des Milliardengeschäfts. Erdbeeren wurden aus Vittoria Hunderte Kilometer nach Fondi gekarrt, verpackt und von dort zurück in den Süden oder nach Mailand geschickt. Den Preis diktierten die Bosse.
So ändern sich die Zeiten. Als Anfang der Achtzigerjahre FBI-Chef Louis Freeh und der palermitanische Staatsanwalt Giovanni Falcone nach einer legendären Ermittlungsarbeit die Pizza Connection hochgehen ließen, dienten die Pizzerien in New Jersey dem Ring von Heroinhändlern nur als Deckung. Das Erstarken der Agro-Mafia ist heute Beleg einer Mutation: Die bewaffneten Banden von gestern sind ziemlich geräuschlos in die Wirtschaft gekrochen. Als Italiens Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft das Parlament in Rom über das kriminelle Interesse an der Lebensmittelbranche informierte, hob sie die "erstaunliche Modernisierungskraft" der Clans hervor. Diese reagierten prompt auf wirtschaftliche Entwicklungen.

Zurück zu den Wurzeln
Wirklich neu ist die Landlust nicht. Vielmehr kehrt die Mafia zu ihren Wurzeln zurück. Sie hat ihre Ursprünge auf Siziliens Latifundien des 19. Jahrhunderts. Seit 200 Jahren erpressen die Mafiosi die Bauern, stehlen Vieh und zünden Felder an. Heute reicht die Macht der bösen Buben bis ins Ladenregal. Auf Sizilien könne keine Supermarktkette ohne die Unterstützung der Cosa Nostra entstehen, sagte der reuige Mafioso Nino Giuffrè aus. Große Sorge bereitet Italiens Bauernverband die Produktpiraterie. Auf sechs Milliarden Euro schätzt man den Gesamtwert gefälschter italienischer Lebensmittel. Oft verbergen sich hinter italienisch klingenden Namen Waren aus dem Ausland, die mit den italienischen Originalprodukten wenig gemein haben.
Besonders betroffen sind Olivenöl, Tomatenkonserven und Molkereierzeugnisse. Bei Neapel kamen Behörden skrupellosen Betrügern in der Mozzarella-Herstellung auf die Spur. Um die Brucellose-Erkrankung von Büffelkühen zu vertuschen, spritzten sie befallenen Tieren vor der Veterinärkontrolle starke Dosen eines Impfstoffs. Der ansteckende Brucellose-Erreger war so für einige Stunden nicht nachweisbar. "Sogar die Wissenschaft arbeitet heute für die Agro-Mafia", sagte der neapolitanische Staatsanwalt Donato Ceglie bei der Vorstellung des Coldiretti-Berichts.




Mafia wollte schiefen Turm von Pisa sprengen

Der schiefe Turm von Pisa gehört zu Italien wie Spaghetti und Pizza. Doch die Touristenattraktion in der Toskana wäre Anfang der 90er-Jahre fast gesprengt worden – von der Mafia.

Das sagte der Kronzeuge Gioacchino La Barbera aus. Verhandelt wird eigentlich darüber, ob italienische Abgeordnete in den 1990er-Jahren einen Friedensvertrag mit der Mafia schlossen. Doch diese unerwartete Aussage La Barberas schockiert ganz Italien.

Die Bomben seien sogar schon vorbereitet gewesen.
Rückblick: 1992 herrschte in Italien der Ausnahmezustand. Die Cosa Nostra hatte dem Staat den Krieg erklärt, nachdem dieser in umfassenden Prozessen die Strukturen der Verbrecherorganisation offengelegt und außerdem Geld beschlagnahmt hatte.
Anschläge auf Polizisten und Richter waren an der Tagesordnung, auch Museen und Züge wurden zu Zielen für die Mafia. Doch der Verbrecherorganisation war all dies offenbar nicht genug: Wie der Kronzeuge La Barbera vor Gericht in Palermo erzählte, schlug der verurteilte Terrorist Paolo Bellini den Turm als Anschlagsziel vor.
Mit den Worten „Stell dir nur vor, Pisa wacht auf und der Turm ist nicht mehr da“ soll er versucht haben, einem der Mafia-Bosse den Anschlag schmackhaft zu machen. Das berichtet die britische Zeitung "Daily Mail" Bellini – Spitzname schwarze Primel – wollte einen der eindrucksvollsten italienischen Bauten dem Erdboden gleichmachen!
Der Plan wurde abgeblasen, nachdem einige wichtige Mitglieder der Mafia, unter ihnen der sizilianische Pate Toto Riina, verhaftet worden waren.
Der Bürgermeister von Pisa reagierte schockiert auf die Aussagen: Das sind schaurige Enthüllungen. Die blinde Brutalität der Mafia gegen den schiefen Turm, der das Symbol Italiens in der Welt und Kulturerbe ist, zeigen den Charakter dieser Organisation.“ Der Turm solle nun ein Symbol für den Kampf gegen die organisierte Kriminalität werden.

Freitag, 24. Januar 2014

EU-Milliarden versickern bei der Mafia

Bürger-Initiativen fordern den sofortigen Stopp von EU-Subventionen an die italienische Mafia. Diese leitet seit Jahren Steuergelder aus EU-Projekten ab. Die anfänglichen Kosten für ein Straßenbau-Projekt in Nord-Italien verdoppelten sich so auf 1,3 Milliarden Euro.


Der Italiener Giovanni Kessler ist Chef der Anti-Betrugs-Behörde OLAF. Er muss sich erneut mit Subventionsbetrug in Millionenhöhe durch die Mafia befassen

Die europäische Anti-Betrugs-Behörde OLAF erhielt eine offizielle Beschwerde von drei Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs). Sie verlangen eine ausführliche Untersuchung eines Straßenbau-Projekts in Nord-Italien, dass mit EU-Geldern finanziert wurde. Die daran beteiligten Subunternehmer stehen im Verdacht Gelder veruntreut und an die Mafia weitergeleitet zu haben, wie der Observer berichtet.

Bei dem Projekt handelt es sich um die Autobahn Passante di Mestre, eine Umgehungsstraße um die norditalienische Stadt Mestre und über die Bucht von Venedig.

Die Fertigstellung des Bauvorhabens verzögerte sich mehrfach. Die anfänglichen Kosten des Projekts verdoppelten sich von 750 Millionen auf 1,3 Milliarden Euro. Bereits im März 2011 stellte der italienische Rechnungshof fest, dass es an öffentlicher Kontrolle fehle. Zudem sei das Projekt mit Hilfe von Subunternehmern durch die organisierte Kriminalität unterwandert worden.

Im Februar 2013 wurden vier Personen in Folge eines Ermittlungsverfahrenswegen Betrug festgenommen. Es folgten 20 weitere Verhaftungen im Laufe des Jahres, darunter auch der Chef eines der größten Subunternehmen, sowie Polizisten und ehemalige Agenten. Im Oktober 2013 verhafteten die Behörden den CEO von FIP Industriale, eines großen Straßenbau-Konzerns. Ihm werden Verbindungen zur Mafia und Bilanzfälschung vorgeworfen.

Trotzdem wurde dem Bauvorhaben ein Kredit von der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Höhe von 350 Millionen Euro bewilligt, um die angesammelten Schulden seit dem Jahr 2003 zu refinanzieren.

„Dieser Fall wirft Zweifel an der Sorgfältigkeit der EIB auf und ihrer Unfähigkeit aus Projekten auszusteigen, bei denen Korruption vermutet wird“, sagte Xavier Sol, Chef der NGO Counter Balance.

Die EU-Kommission erwägt derzeit, das Projekt mit ungenutzten EU-Geldern und zusätzlichen EIB-Krediten weiter zu finanzieren. Die Finanzierung ist Teil eines Konjunkturprogramms, das die Wirtschaft Südeuropas mit großen Bauvorhaben ankurbeln soll. Die drei NGOs bestehen dagegen auf eine sofortige Aussetzung der Finanzierung, bis die Korruptionsvorwürfe endgültig geklärt sind.

„Wir hören nun schon seit Jahre, dass ‚Europa dieses Projekt verlangt‘. Heute verlangen die italienischen Bürger von Europa, dass es die direkten Verantwortlichkeiten seiner Institutionen untersucht“, sagte Rebecca Rovoletto von der NGO Opzione Zero, einer Bürgerinitiative gegen den Bau der Autobahn.
„Wir rufen die EU auf, unsere Forderungen nach mehr demokratischer Kontrolle der öffentlichen Gelder zu unterstützen, anstatt sich hinter die Interessen der lokalen Barone zu stellen“, so Rovoletto.

Es handelt sich hierbei nicht um den ersten Fall von Subventionsbetrug durch die italienische Mafia. Zwischen 2007 und 2013 versickerten über 360 Millionen Euro im Rahmen eines Straßenbau-Projekts bei der kalabrischen `Ndrangheta. Auch beim Wiederaufbau der von einem Erdbeben verwüsteten Stadt L’Aquila, profitierte die Mafia über Bauvorhaben von EU-Geldern


Wer keine Polizisten ermordet, ist ein Feigling!

Droht Italien ein neuer Mafia-Krieg? Italien ist schockiert über die Drohungen, die der 83-jährige Boss Toto Riina vom Gefängnis aus ausgestoßen hat. Er ruft offen den Nachwuchs zum Morden auf.


In Italien steht der Mafia-Pate Salvatore "Toto" Riina, auch genannt der
"Boss der Bosse", vor Gericht. Es ist nicht der erste Prozess,
bei dem er in einem Käfig auf der Anklagebank sitzen muss.


Ein riesiges Plakat hängt im Justizpalast von Palermo, darauf 50 Porträts von Menschen, meist fröhlich lächelnd. Aber das Manifest ist kein Werbeplakat, sondern ein Mahnmal. Alle 50 waren Richter, Polizisten, Politiker, Journalisten, die ihr Leben hier in Palermo dem Kampf gegen die Mafia geopfert haben. Darunter auch der schnauzbärtige Giovanni Falcone und sein Kollege Paolo Borsellino, beide 1992 ermordet durch Bombenattentate, gemeinsam mit ihren Bodyguards und Falcones Ehefrau.

Auch Staatsanwalt Antonino Di Matteo, 52, geht regelmäßig daran vorbei, wenn er, umringt von seinen schwer bewaffneten Personenschützern, durch das riesige Foyer eilt. Di Matteo ist auf die Fahndung von Mafia-Verbrechern spezialisiert. Zurzeit ist er Ankläger in einem besonders brisanten Prozess: Es geht um die "Trattativa", die Verhandlung, womit ein Pakt zwischen Staat und Mafia bezeichnet wird. Dafür hat er sich den Hass vieler zugezogen, von Politikern und Polizisten, vor allem aber den des Paten Toto Riina.


Staatsanwalt Di Matteo (links) und Generalstaatsanwalt Scarpinato (Mitte)


"Man müsste ihn ermorden, eine regelrechte Hinrichtung daraus machen ... wir müssen ein richtig großes Ding organisieren", hat Riina einem Mithäftling anvertraut und hinzugefügt: "Ich würde ihn umbringen wie einen Thunfisch!" Das hat Symbolkraft: Der traditionelle Thunfischfang in Sizilien, der "Mattanza" (zu Deutsch: das Abschlachten), ist bekannt für die Brutalität, mit der die Fische eingekreist, erdolcht und getötet werden. "Wäre ich noch draußen, hätte ich die Schlachterei fortgesetzt!", so der 83-Jährige.


Nachwuchs zum Mord aufgerufen

Für genau diese "Schlachterei" ist Riina nicht mehr draußen, in seiner sizilianischen Heimat, sondern seit 21 Jahren hinter Gittern, 1600 Kilometer nördlich von Palermo, in Mailand. Er ist verurteilt wegen vielfachen Mordes und die meisten der großen Mafia-Attentate der vergangenen 30 Jahre, auch die Bombenanschläge von 1992. Dafür wird Riina bis ans Lebensende im Hochsicherheitstrakt der Haftanstalt "Opera" bleiben müssen.

Trotzdem haben seine brutalen Worte Italien schockiert. Schon im Dezember waren erste Drohungen bekannt geworden, und Innenminister Angelino Alfano ließ umgehend die Sicherheitsmaßnahmen für alle Mafia-Fahnder in Sizilien aufstocken. Aber nun wurde schlagartig klar, dass die Macht Riinas ungebrochen ist.

Das geht aus den Auszügen der Videomitschnitte hervor, die als Beweismaterial zu den Prozessakten im Verfahren um den "Pakt Mafia-Staat" gehören und die jetzt von italienischen Medien veröffentlicht wurden. Darin berichtet Riina seinem Mithäftling, dem apulischen Mafia-Boss Alberto Lorusso, beim Freigang in einem abgeschirmten Innenhof der Haftanstalt allerhand Grausames, auch, dass das Morden ihm früher Spaß gemacht habe.



Alberto Lorusso - Mafia-Boss und Vertrauter Riinas

Es entfährt ihm sogar ein unfreiwilliges Eingeständnis der Verbrechen, für die er später verurteilt wurde. Wer keine Mafia-Fahnder ermorde, sei ein "Feigling". Und er stellt klar: "Ich habe meine Pflicht getan. Jetzt macht ihr weiter und amüsiert euch" – das dürfte eine Aufforderung an den Nachwuchs der "Familie" auf Sizilien sein. Mithäftling Lorusso sichert daraufhin umgehend die logistische Unterstützung zu: "Wir haben ein Arsenal."


Domenico Lorusso - Mithäftling von Riina
"Wir haben
genügend Waffen und Killer im Arsenal, um eine Menge Staatsanwälte zu liquidieren..."



Risiko ist einkalkuliert

Hat Staatsanwalt Di Matteo Angst vor solchen Drohungen? Am Telefon ist seine Stimme leise, manchmal macht er Pausen, sagt dann aber bestimmt: "Wer meinen Beruf macht, muss dieses Risiko einkalkulieren. Ich konzentriere mich auf meine Arbeit." Di Matteo hat sich an das Panzerglas, hinter dem er seit 20 Jahren lebt, längst gewöhnt. Er hat ständig neun persönliche, schwer bewaffnete Bodyguards um sich.

Weitere 30 Polizisten sichern sein Wohnhaus und die Straßen, wenn er mit seiner Autokolonne aus gepanzerten Wagen und Sirenengeheul durch die Stadt fährt. Lange Strecken legt er nur im Hubschrauber zurück. Erst als man ihm ein gepanzertes Militärfahrzeug verordnen wollte, lehnte der Staatsanwalt ab. Morddrohungen gehören eben zum Alltag von Mafia-Fahndern.

Trotzdem ist dieses Mal alles anders. "Was Riina sagt, ist ein Mandat, keine Drohung", schreibt der Journalist Marco Travaglio. Auch Di Matteo weiß das, er gesteht im Gespräch mit der "Welt" ein: "Ich habe so etwas nie erlebt: Es ist das erste Mal, dass mithilfe von Wanzen eine Todesbotschaft aufgezeichnet wird, ausgesprochen von dem Mann, der der Hauptverantwortliche der wichtigsten Mafia-Attentate der letzten Jahrzehnte ist. Es ist das erste Mal, dass er ausdrücklich von einem Mordprojekt spricht."


Deal mit Hafterleichterung

Auslöser dürfte der Prozess um die Trattativa sein, der seit einem halben Jahr läuft. Es soll bewiesen werden, dass Staatsvertreter in den 90er-Jahren mit der Cosa Nostra verhandelten. Damals tobte ein regelrechter Krieg zwischen Mafia und Regierung. Jedes Jahr starben etliche Polizisten, Richter, Politiker. Um das Morden zu beenden, sollen hochrangige Staatsdiener Hafterleichterungen im Tausch gegen einen Waffenstillstand ausgehandelt haben. Tatsächlich hörte das Töten nach dem Tod der Richter Falcone und Borsellino 1992 auf.

Ein Dutzend Politiker, Polizisten und Verbrecher stehen gemeinsam vor Gericht, die Anklageschrift ist neun Seiten lang, dazu kommen 120 Aktenordner und 178 Zeugen. Am 30. Januar ist der nächste Verhandlungstermin. Dann wird auch Riina wieder im Gerichtssaal sein, wie an jedem Tag und – wie üblich für Mafiosi dieses Kalibers – in einem Gitterkäfig.


Nachdem Ankläger Di Matteo ankündigte, ihn mit wichtigen Beweisen konfrontieren zu wollen, geriet Riina angeblich einem Mitgefangenen gegenüber außer sich: "Wenn der vor mir steht und mich mit seinen Blicken fixiert, könnte ich durchdrehen. Er wird dafür büßen!"
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