Freitag, 1. November 2013

Leg dich nicht mit Bushido an - Mafia-Clan der Abou-Chaker

Die WELT / Kay One

Der Rapper Prince Kay One steht unter Polizeischutz, seit er seinen ehemaligen Mentor als Marionette eines Mafia-Clans denunziert hat. Doch das kalkulierte Mediengetöse übertönt sein wahres Talent.






Die obligatorische Imagepflege kostet in der gegenwärtigen HipHop-Szene nicht mehr nur das Talent zur gelungenen Pose, sondern auch gleich literweise Champagner. Das hat Prince Kay One verstanden. Weil sich der exponierte Reichtum als beliebte Aufsteigermetaphorik etabliert hat, lässt sich der selbstgeadelte Rapper für die Fernsehkameras gern im angemieteten Hubschrauber einfliegen, der in den folgenden Interviews dann dekorativ die Hintergrundkulissen schmückt. Und auch die Sektduschen bei seinen Liveauftritten sind mittlerweile ebenso zur Tradition geworden wie die leicht bekleideten Partygirls in den ersten Reihen.

Wer die Angst vor der Höhe verliert, dem steht der Größenwahn gut zu Gesicht. Prince Kay One hat es nach ganz oben geschafft. Und der Größenwahn bestimmt nicht nur das Koordinatensystem seiner Karriere – er ist schon lange zu ihrer Grundlage geworden. Kay One, im bürgerlichen Leben Kenneth Glöckler, 29 Jahre, hat in dieser Woche sein drittes Soloalbum auf den Markt gebracht.

Es heißt "Rich Kidz" und ist nicht nur ein klanggewordenes Verbalgeprotze mit 60-minütiger Laufzeit, sondern auch eines der besten Deutschrap-Alben des Jahres. Doch der selbsternannte Prinz dominiert die Schlagzeilen derzeit weniger durch seine Musik, als vielmehr durch den in aller Öffentlichkeit ausgetragenen Dauerzwist mit seinem ehemaligen Mentor Bushido. Das könnte ihm noch zum Verhängnis werden. Aber der Reihe nach.

Glöckler wuchs im beschaulichen Ravensburg auf. Als sein großer Bruder ihn zur Rapmusik brachte, eröffnete sich für ihn eine neue Welt, die schnell das Potenzial entfaltete, die beengenden Dimension seiner schwäbischen Heimat zu sprengen. Glöckler entpuppte sich als außerordentliches Talent. Mit rhythmischer Leichtigkeit improvisierte er ausgefeilte Reimschemen, behauptete sich auf landesweiten Contests und erregte schnell überregionale Aufmerksamkeit.

Mit 17 hatte er seine Schule bereits geschmissen und einen Vertrag beim etablierten Berliner Underground Label Royal Bunker in der Tasche. Von dort ging es dann zu dem inoffiziellen Straßenrap-Konglomerat German Dream nach Köln, dass von dem ebenfalls noch jungen Talent Eko Fresh geleitet wurde. Die Zeiten waren hart, der Kühlschrank meist leer und das kleine Apartment unbeheizt. Es war für Glöckler, der sich bereits Kay One nannte, wohl keine allzu schwere Entscheidung mit Bushido nach Berlin zurückzukehren, als dieser ihn rief.


Er flüchtete aus Angst vor dem Abou-Chaker-Clan


Bushido war auf der Suche nach neuen Talenten. Er hatte sich gerade von Aggro Berlin getrennt und zog sein eigenes Label ersguterjunge auf. Zwei Soloalben und ein Kollaborationsprojekt brachten Kay One den endgültigen Durchbruch als etablierter Rapper. Doch schon damals machte Kay mehr durch sein Privatleben und seiner Liason mit Sängerin Mandy Capristo als durch seine Musik Schlagzeilen.

Dabei war sein neu gefundener Sound durchaus revolutionär. Mit "Prince Of Belvedair" legte er ein astreines Clubalbum vor und emanzipierte sich vom Klangbild der kompromisslosen Berliner Härte. Es kam zu Spannungen. Bushido hätte ihn finanziell ausbluten lassen, sagt er später in Interviews. In einer Nacht und Nebel-Aktion verließ er dann Berlin. Heute tritt er öffentlich nochmal nach: Gegangen sei er auch aus Sorge von dem medial zur Mafia-Familie hochstilisierten Abou-Chaker-Clan, mit dem Bushido eng verbandelt ist.


Abu-Chaker - die Keller-Kinder aus Neukölln

Bushido zeigt sich zunächst verwundert, entwickelt aber bald sichtlich eine infantile Freude daran, gegen seinen verlorenen Schützling immer wieder mehr oder weniger erfolgreich zu sticheln. Mal lässt er Kays millionenfach geklickte Musikvideos auf YouTube sperren, weil er vermeintliche Urheberrechte für sich deklariert, mal lässt er sich die Wortmarke "Kay One" beim Patentamt sichern. Es ist ein bisschen die Fortsetzung der Schulhof-Hänselei mit den Mitteln des Millionärs und einer gefühlten Armada von Anwälten im Rücken.

Den vorläufigen Höhepunkt erreicht die Auseinandersetzung im Sommer mit dem Disstrack "Stress ohne Grund". Die Verbalagression gegen Kay und einige unliebsame Politiker brachte den Track auf den Index, das folglich auf dem Bushido-Label erscheinende Shindy-Album auf den Spitzenplatz der deutschen Charts und Bushido selbst endlich wieder in die Schlagzeilen.


Was ist Feindschaft, was Promotion-Strategie?


Kay ignorierte die Berliner Störsignale, die er als durchschaubare Werbeaktion abtat. Das klang allerdings nur so lange erwachsen und altersweise, bis die Promotion-Phase seines eigenen Albums begann. Plötzlich zog er nach, denunzierte Bushido als Mafia-Marionette und verriet, dass er aus Angst vor dessen Freunden unter Polizeischutz stehe. Spätestens hier verlaufen alle Grenzen zwischen echter Feindschaft und beidseitig profitabler Promotion. Der Prinz hat sich nun endgültig zum König der Klatschpresse gekrönt. Sein Lohn: Eine Jurorstelle bei DSDS und noch mehr mediale Aufmerksamkeit.

Doch die könnte sich als ungewollter Bumerang entpuppen, übertönt die mediale Hysterie um ihn und seinen alten Mentor Bushido doch den wirklich großartigen Sound von seinem neuen Album "Rich Kidz". Hinter den treibenden Bässen verbirgt sich ein astreiner Clubsound, der spielerisch die Fesseln der strengen deutschen HipHop-Ikonografie sprengt. Plötzlich kann Deutschrap auch auf dem Dancefloor stattfinden. Mit Featuregästen wie Melody Thornton von den Pussycat Dolls und einer aufpolierten Produktion erreicht das Album sogar internationales Niveau.

Inhaltlich werden zwar recht monoton und in höchster Taktfrequenz die Sinnbilder des eigenen Reichtums bemüht und manifestiert, aber Abwechslung bieten poppige Latinorhythmen (V.I.P.) und halbwegs tiefgründige Balladen ("Ich hasse es, dich zu lieben"), die sich zwar in der Mottenkiste der verbalen Romantikklischees bedienen, aber im reinsten Popsinne noch immer ganz hervorragend klingen. Die 17 Tracks klingen mit wenigen Aussetzern ("Hollister Girl") insgesamt so frisch und homogen, dass Prince Kay One hier klar sein bisheriges Meisterwerk vorgelegt hat. Ein verspätetes Sommeralbum, das gut durch den Winter retten dürfte.

Was Bushido von dem Werk hält, kann man übrigens auf Amazon nachlesen. Dort veröffentlichte er eine Rezension, in der er seine Enttäuschung zum – viel beachteten – Ausdruck brachte. Den Prinzen dürfte das nicht allzu sehr stören. Die zusätzliche Aufmerksamkeit wird sich wohl in seinen CD-Absätzen spiegeln. Und von denen muss immerhin die kostenintensive Imagepflege finanziert werden.

http://www.welt.de/kultur/pop/article121454892/Junge-Junge-leg-Dich-bloss-nicht-mit-Bushido-an.html


Ein blutiger Kampf der Clans - Ullstein-Verlag

.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen