Sonntag, 13. Oktober 2013

Im Fadenkreuz der Camorra

Von den drei Mafia-Systemen in Italien ist die Camorra das blutrünstigste. Tausende Morde gehen auf ihr Konto. Sie beherrscht vor allem die Stadt Neapel, aber ihre Arme reichen weit darüber hinaus. Kaum jemand entkommt ihr.

Doch es gibt Mutige, die es trotzdem versuchen - sei es, dass sie aussteigen, Schutzgelder verweigern oder vor Gericht kämpfen. Claudio M. Mancini hat einige von ihnen in Neapel getroffen und zeigt ihren unermüdlichen und gefährlichen Kampf gegen die Mafia, die ihre Stadt erstickt und vergiftet.


Clan Camorristi in Neapel
Mit diesen Herren ist nicht zu spaßen...


Die Camorra mag weniger berüchtigt sein als die sizilianische Cosa Nostra oder die kalabrische 'Ndrangheta, aber sie ist um einiges blutrünstiger. In den vergangenen 30 Jahren war sie verantwortlich für mehr als 3.000 Tote, die vor allem Auftragsmorden zum Opfer fielen. Trotz häufiger Razzien ist die Camorra über die Jahrzehnte zu einer der weltweit führenden Gruppen des organisierten Verbrechens geworden. Sie mischt in Wirtschaft und Politik mit, im Drogenhandel, bei Schutzgelderpressungen und vor allem auch in der illegalen Lagerung von giftigem Industriemüll. Ihre Klans haben Neapel und seine Umgebung fest im Griff. In manchen Gegenden haben sie de facto den Staat ersetzt.

Claudio M. Mancini ging in die süditalienische Stadt, um herauszufinden, wie die Camorra funktioniert und warum so viele Jugendliche ihrem Mythos erliegen. Giuseppe, der mehr als zwanzig Jahre lang ein gefürchteter Camorrista war, erklärt seine Faszination so: «Wenn du erst einmal Teil der Camorra wirst, kommt sie vor allem anderen, sogar vor deiner eigenen Familie. Ich habe das Gangsterleben geliebt und liebe es immer noch.»

Auch Salvatore trat der Camorra als Teenager bei. Er dealte mit Drogen, war an Schutzgelderpressungen und bewaffneten Raubüberfällen beteiligt und saß deswegen fast zwölf Jahre im Gefängnis. Dort kam er mit der Schauspielerei in Berührung und entwickelte eine brennende Leidenschaft für das Theater. Nach seiner Entlassung kehrte er der Camorra den Rücken und arbeitet heute als professioneller Schauspieler. Eine seiner besten Rollen ist die erschreckend realistische Darstellung eines skrupellosen Camorrista im Film «Gomorrha», nach dem gleichnamigen Buch von Roberto Saviano.

Einer der mutigen Neapolitaner, der sich der Camorra widersetzt, ist Pietro, Besitzer einer Matratzenfabrik. Als die Camorra Schutzgelder von ihm verlangt, filmt er mit versteckter Kamera seine Zahlungen an den Klan. Die heimlichen Aufnahmen und seine Aussage vor Gericht bringen 36 Camorristi hinter Gitter. Seither braucht er Polizeischutz rund um die Uhr, und seine Frau hat ihn verlassen. Trotzdem würde er wieder so handeln.

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