Dienstag, 26. März 2013

P3 - eine Geheimloge greift nach der Macht

Im Skandal um die italienische Geheimloge P3 ist erneut ein Mitglied der Regierung Berlusconi ins Visier der Ermittler geraten. Gegen Justiz-Staatssekretär Giacomo Caliendo könnten die Staatsanwälte in Rom bereits am Montag einen Ermittlungsbescheid erlassen. Der ehemalige Richter aus Neapel soll im September an einem Abendessen der Geheimloge in der Wohnung des PDL-Koordinators Denis Verdini teilgenommen haben, bei dem auch Senator Marcello Dell'Utri (gestern zu 7 Jahren Haft verurteilt - siehe nächsten Bericht) und weitere Verdächtige zugegen waren. Zahlreiche Telefonmitschnitte sollen den Verdacht erhärten. Abhörprotokolle bringen Unglaubliches ans Licht: Ein Geheimbund korrupter Politiker, Richter und Unternehmer wollte Italien bis in die höchsten Ebenen unterwandern.

Die jüngste Affäre um einen korrupten Geheimbund hat in Italien Wirbel in Politik und Justiz ausgelöst. Mehrere Männer, die Regierungschef Silvio Berlusconi nahestehen, sind unter Verdacht, der Geheimloge mit dem Namen "P3" anzugehören.

Ausgangspunkt der umfangreichen Ermittlungen waren mutmaßliche Schmiergeldzahlungen beim Bau eines Windparks auf Sardinien. Dell’Utri wie auch der Koordinator der Berlusconi-Partei Partito della liberta (PdL, Volk der Freiheit), Denis Verdini, sollen laut den Richtern eine kriminelle Organisation aufgebaut haben, die die öffentlichen Institutionen unterwandern wollte, um politische Beschlüsse, Prozesse und die Wahl prominenter politischer Persönlichkeiten zu beeinflussen.

Gerade zurückgetreten ist in dem Zusammenhang der Wirtschaftsstaatssekretär Nicola Cosentino. Italiens oberster Mafia-Ermittler, Piero Grasso, sagte der Zeitung La Repubblica: "Die Korruption scheint heute dem Erhalt eines kriminellen Netzes zu dienen, in dem es einen derart komplizierten Austausch von Gegenleistungen gibt, dass er nicht in unsere juristischen Modelle passt."

Die Schlüsselfigur der Geheimloge, der sardische Geschäftsmann Flavio Carboni, soll versucht haben, mit einem Schmiergeld von 30.000 Euro einen Auftrag der Eisenbahn in Mailand zu erhalten.





Überdies soll er seinem Vermittler Beraterverträge für 900.000 Euro versprochen haben. Premier Silvio Berlusconi bezeichnete die Ermittlungen als "Manöver linker Medien und Staatsanwälte, um einen Umsturz herbeizuführen". Die Regierung werde sich "dadurch nicht irritieren lassen".  Was aus den 15.000 Seiten Abhörprotokollen der Carabinieri bekannt wurde, weist auf weit mehr als Bestechung hin.

Es sieht so aus, als habe ein Kreis von Politikern, Unternehmern mit Mafia-Verbindungen und hohen Richtern versucht, Einfluss zu nehmen auf Regionalwahlen, Richterbesetzungen und sogar das Verfassungsgericht.

Geheimlogen haben Tradition
Die Staatsanwaltschaft in Rom ermittelt wegen "Bildung einer geheimen Vereinigung mit dem Ziel, Verfassungsorgane zu beeinflussen". Dieses Delikt war formuliert worden zum Verbot der berüchtigten Geheimloge Propaganda Due (P2) - daher der Begriff P3 für die neue Affäre. P2 hatte vor allem in den siebziger Jahren in Italien Politik, Militär, Geheimdienste und Banken unterwandert und mit der Mafia kooperiert.

Unter denen, die jetzt direkt oder als Helfer zu P3 gehören sollen, sind außer Ex-Staatssekretär Cosentino der nationale Koordinator der Regierungspartei PDL, Denis Verdini, und der wegen Mafia-Beihilfe zweimal zu Haft verurteilte PDL-Senator Marcello Dell'Utri. Justizstaatssekretär Giacomo Caliendo soll mit dem Kreis ebenso kooperiert haben wie der oberste Richter-Kontrolleur im Justizministerium, Arcibaldo Miller. Alle bestreiten die Vorwürfe.

Ebenso unter Verdacht steht der Unternehmer Flavio Carboni, bei dem die Ermittlungen ihren Anfang nahmen. Er sitzt trotz seiner 78 Jahre und einer Herzerkrankung in U-Haft. Bereits gut zwei Dutzend Ermittlungsverfahren oder Anklagen hat er hinter sich.
Verurteilt wurde er nur wegen seiner Rolle beim Zusammenbruch der Bank Ambrosiana, die Geldwäsche für P2 betrieb. Zudem stand er wegen Beteiligung am Mord an Ambrosiana-Chefs Roberto Calvi vor Gericht.

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