Dienstag, 29. Januar 2013

Interview mit der Mafia-Anwältin Vincenza Rando

Vincenza Rando, 49, studierte Jura in Palermo. Sie lebt in Modena und arbeitet als Anwältin für die Anti-Mafia-Organisation Libera. Sie betreut Mafia-Aussteiger und Verbrechensopfer, vor allem Frauen.

Ehefrauen der Mafiosi leben gefährlich, wenn sie aussteigen

Randos letzter Mafia-Prozess war so spektakulär wie brutal. Eine Frau hatte ihren Lebensgefährten, einen Mafioso, verlassen, und war daraufhin von ihm ermordet und mit Säure übergossen worden. Rando vertrat die Nebenklägerin, die Tochter des Opfers und des Täters ist.


Frage:
Frau Rando, wie erklären Sie einer Zwanzigjährigen, dass ihr Vater ihre Mutter ermordet und sie hinterher in 50 Liter Säure aufgelöst hat?

Vincenza Rando:
Man erklärt es gar nicht. Wie wollen Sie das denn erklären? Die junge Denise war und ist wahnsinnig tapfer, sie befindet sich auch jetzt, nach dem Prozess, im Zeugenschutzprogramm. Nicht einmal ich weiß, wo sie sich aufhält. Aber wir telefonieren mehrmals täglich.

Frage:
Was war genau geschehen?

Vincenza Rando:
Die Mutter von Denise, Lea Garofalo, hatte sich 1996 von ihrem Lebensgefährten, einem Mafioso der kalabrischen 'Ndrangheta namens Carlo Cosco, getrennt. Dass sie damit der Mafia den Rücken kehrte und danach sogar mit der Justiz zusammenarbeitete, wurde ihr zum Verhängnis. Der erste Mordversuch ihres Exfreundes missglückte, den zweiten aber plante er genau. Es war 2009, als er ihr in Mailand auflauerte. Er entführte sie in einem Lieferwagen, schoss ihr ins Genick und überschüttete sie dann mit einem Container Säure. Was von ihr übrig blieb, vergruben er und seine fünf Mittäter auf einem Feld bei Mailand. Eine sogenannte Lupara Bianca - ein Mord ohne Leiche. Ein klassischer Indizienprozess.

Frage:
Das klingt nicht nur wahnsinnig grausam, sondern auch anachronistisch. Stellt man sich so nicht die Mafia von früher vor? Wie gehen diese archaischen Riten zusammen mit der Vorstellung von einer Mafia, die wie eine Holding operiert?

Vincenza Rando:
Das ist ja das Abstruse, bei der Mafia geht beides. Sie hat sich mit den Jahren modernisiert, ja manche nennen die Mafia die größte Firma Italiens. Immerhin schätzt der Einzelhandelsverband den Umsatz aller italienischen Mafias auf insgesamt 140 Milliarden Euro. Es ist auch wirklich selten geworden, dass auf der Straße gemordet wird. Aber es wird gemordet, weiterhin. Im Dunkeln.

Frage:
Die sechs Täter müssen lebenslänglich hinter Gitter. Sie waren im Prozess sowohl Anwältin der Tochter als auch Zeugin. Wie geht das?

Vincenza Rando:
Das war auch in der italienischen Justiz eine Ausnahme. Die Staatsanwaltschaft hatte mich gefragt, ob es mir möglich wäre, auch als Zeugin auszusagen. Schließlich hatte ich Lea Garofalo vier Tage vor ihrem Verschwinden noch gesehen - ich war ja lange Zeit nicht nur ihre Anwältin, sondern auch ihre Vertrauensperson. Soweit ich weiß, war es das erste Mal in Italien, dass eine Anwältin auch Zeugin war.

Frage:
Wie kommt es, dass Sie sich für Frauen einsetzen, die sich von einem Mafioso und damit von der Mafia trennen?

Vincenza Rando:
Es begann, wie fast jede Anti-Mafia-Geschichte beginnt: Ich bin in Sizilien aufgewachsen. In Niscemi, einer Kleinstadt im Süden der Insel. Schon als Jugendliche fiel mir auf, wie unlauter unser Bürgermeister war, wie korrupt. Viel später wanderte er auch wegen seiner Mafiazugehörigkeit für mehrere Jahre ins Gefängnis. Das größte Problem in Niscemi - die Stadt hat ja immerhin 25.000 Einwohnern - waren aber fehlende Schulen.

Frage:
Also fehlender Unterricht?

Vincenza Rando:
In Niscemi gab es damals kaum Schulgebäude, Unterricht fand, wenn überhaupt, provisorisch in Mietshäusern statt.

Frage:
Heißt das, wo keine Bildung ist, hat die Mafia größeren Einfluss auf die Jugendlichen?

Vincenza Rando:
Die Mafia will in jedem Fall Erziehung verhindern. Erziehung heißt Aufklärung, heißt selber denken. Die Schule ist der erste Ort, an dem Legalität unterrichtet werden kann, ein Bewusstsein für die Gesellschaft vermittelt werden kann. Zwei Jahre habe ich mich mit anderen zusammengetan, wir haben gekämpft, bis die alten Schulen renoviert waren, sogar eine Ganztagsschule konnten wir durchsetzen, mit Mittagessen und allem. Je mehr Bildung, desto besser - dieses Credo gilt vor allem in Mafialand. Bei denen, die sonst keine Chancen haben, kann Schule prima ansetzen. Erst recht, wenn die Eltern sie nicht über die Mafia aufklären.

Frage:
Wie war es bei Ihren Eltern?

Vincenza Rando:
Meine Eltern sind sehr anständige Menschen. Mein Vater besaß ein bisschen Land …

Frage:
und da bekam er keine Probleme mit der Mafia?

Vincenza Rando:
Nein, er hat sich auf keine Geschäfte eingelassen. Und uns Kindern immer wieder gesagt: Geht, verlasst dieses Land Sizilien. Geht und studiert, macht was aus euch.

Frage:
Das haben Sie getan?

Vincenza Rando:
Ja, aber Sizilien noch nicht verlassen. Mein Jurastudium wollte ich in Palermo machen. Dort und auf bestimmten Juristenkonferenzen lernte ich Giovanni Falcone und Paolo Borsellino kennen.

Frage:
Die berühmten Anti-Mafia-Richter, die vor genau zwanzig Jahren bei zwei Attentaten von der Mafia getötet wurden.

Vincenza Rando:
Sie waren so etwas wie meine Ziehväter, durch sie bin ich dazu gekommen, in meinem zukünftigen Beruf gegen die organisierte Kriminalität zu kämpfen. Zuerst auf Sizilien. Diese Insel ist eine der schönsten Gegenden auf der Welt, aber auch eine der rückständigsten. Nach den Morden an Falcone und Borsellino war ganz Sizilien plötzlich wach, es gab Veranstaltungen, Diskussionen, eine riesige Welle der Empörung ging durchs Land. So richtig lange gehalten hat sie aber nicht. In der Zeit bin ich dann auch nach Norditalien gezogen.
Frage:
Sie betreuen jetzt als Anwältin viele Frauen, die sich von der Mafia abwenden. Spielt die Frau in diesem chauvinistischen System überhaupt eine Rolle?

Vincenza Rando:
O ja, mittlerweile eine größere, als Sie vielleicht glauben. Eine Frau kann in der Mafia keine Patin werden, solange ihr Mann lebt. Früher hat sie im operativen Bereich nie wirklich eine Rolle gespielt, weder in der sizilianischen Cosa Nostra noch in der kalabrischen 'Ndrangheta oder der kampanischen Camorra. Aber die Gesetze strenger geworden, es gibt immer mehr Verhaftungen, und da übernimmt die Frau eine neue, wichtige Rolle. Heute gibt es Mafiosa, die ein schlimmeres, grausameres und brutalere Regiment führen als ihre Männer.

Frage:
Welche?

Vincenza Rando:
Wie früher schon schneidet und verpackt sie beispielsweise das Kokain und Heroin in ihrer Küche. Es gibt aber auch einige, die mittlerweile Schutzgeld erpressen oder sich direkt am millionenschweren Drogenhandel beteiligen, etwa durch Botengänge. Die wichtigste Aufgabe einer Mafiafrau ist und bleibt aber die Erziehung der Kinder, vor allem: der Söhne. Also der zukünftigen Mafiosi.

Frage:
Wie genau werden denn Jungs zu Mafiosi erzogen?

Vincenza Rando:
So, dass sie irgendwann imstande sind, Paten zu werden, also Chefs einer Einheit. Sie werden nach den Werten der Mafia erzogen, den Werten der Rache. Wichtig ist es, Boss zu werden. Wichtig ist es, Macht zu haben. Alles andere ist Nebensache. Die Mutter weiß, wie gefährlich ihre Söhne leben, wenn sie nicht ganz oben an der Spitze sind. Deshalb erzieht sie sie zu rücksichtsloser Stärke.

Frage:
Wie?

Vincenza Rando:
Um Boss zu werden, muss ein Mann immer stärker sein als der andere, und das heißt in der Logik der Mafia: gewaltbereiter. Man muss das können: sich Respekt verschaffen, Kraft und Gewaltbereitschaft demonstrieren. Am Ende wird ganz banal gerechnet: Wie viele Menschen hat ein Mann umgebracht? Die Anwärter fangen klein an. Ihnen wird gesagt: Geh, zünde dieses oder jenes Auto an, dieses oder jenes Haus. Dann dürfen sie nicht fragen, um wessen Auto oder Haus es sich handelt, sondern müssen es einfach tun. Die Mafiosi verstehen sich ja auch als Soldaten im Krieg. Je weniger der Mann zögert, je kühler er jede Aufgabe ausführt, desto schneller macht er Karriere.

Frage:
Wie ist es mit den Töchtern?

Vincenza Rando:
Die Töchter haben erst eine Bedeutung, wenn sie zur Ehefrau eines Mafioso werden. Dann werden sie Mütter und erziehen ihrerseits die Kinder.

Frage:
Und was genau passiert, wenn der Ehemann ins Gefängnis kommt?

Vincenza Rando:
Das ist ein bisschen wie früher, im Krieg. Die Frau regelt dann alles, sie besucht den Mann, koordiniert den Alltag und kümmert sich um die Geschäfte.

Frage:
Die Geschäfte?

Vincenza Rando:
Ja. Das Wichtigste sind die Knastgänge - das Scharnier zwischen dem Drinnen und dem Draußen. Mittlerweile gibt es für die Besuche strikte Auflagen, die Ehefrau aber darf natürlich immer kommen - und übernimmt dann gern auch Botengänge, vermittelt zwischen dem Inhaftierten und den anderen Mafiosi seiner Einheit, transportiert Zettel mit Botschaften. Und sie bringt die Kinder ins Gefängnis, vor allem die Söhne. Dabei bleibt sie aber immer nur Platzhalter für den Mann, solange dieser einsitzt.

Frage:
Gibt es für eine Frau in der Mafia denn nur diese eine Möglichkeit: mitmachen? Wenn sie nicht mehr mitmacht, ist das wie ein Todesurteil?

Vincenza Rando:
Ja! Es gibt nichts dazwischen, die Strukturen in einer Mafiafamilie sind sehr starr und sehr vom Machismo geprägt.

Frage:
Wie bei Lea Garofalo?

Vincenza Rando:
Ja, wie bei Lea Garofalo. Eine Frau, die aussteigt, begeht ein doppeltes Sakrileg. Zum einen, weil niemand der Mafia den Rücken zukehrt oder, schlimmer noch, mit der Justiz kooperiert. Zum anderen, weil eine Frau das erst recht nicht tut.

Frage:
Kann es sein, dass eine Frau - gerade am Anfang einer Beziehung oder Ehe - gar nicht weiß, womit ihr Mann sein Geld verdient?

Vincenza Rando:
Am Anfang ahnt sie vielleicht nichts, obwohl ich auch das bezweifle. Aber wenn, dann kommt sie jedenfalls schnell dahinter. Als Lea Garofalo ihren Freund kennenlernte, hat sie sehr schnell mitbekommen, was er "arbeitet". Er war zwar nur ein kleiner Handlanger, aber er wollte immer mehr. Als sie nach Mailand zogen, stellte sie fest: Diese Stadt ist ja wie mein Dorf. Ein Kalabrien im Kleinen also, das sie doch eigentlich hatte verlassen wollen. Nicht nur weg von ihrem Freund, sondern auch von ihrer mafiosen Familie. Ihr Vater war von einem verfeindeten Clan getötet worden, als sie ein paar Monate alt war. Sie erzählte mir einmal, dass ihre Brüder von Anfang an nur dazu erzogen wurden, irgendwann ihren Vater zu rächen.

Frage:
Welchen Wert hat denn die Familie Ihrer Meinung nach in der mafiosen Struktur?

Vincenza Rando:
Der Zusammenhalt der Familie ist das höchste Gut, das die Mafia hat. Gegen die Blutsverwandtschaft auszusagen ist für viele eine zu hohe Hürde. Aber: Es geht immer und ausschließlich ums Geschäft, nicht um die Familie. Für die hohen Umsätze, mit denen vor allem die 'Ndrangheta operiert, braucht es juristisches und wirtschaftliches Geschick, vor allem weil das Geld illegal reinkommt, etwa durch den Drogenhandel, und erst noch gewaschen werden muss. Deshalb denkt die mafiose Familie immer anders als eine schlicht blutsverwandte.

Frage:
Nämlich wie?

Vincenza Rando:
Es wird stillschweigend ein Pakt geschlossen, der nicht gebrochen werden darf. Und der ist um alles in der Welt wichtiger und mehr wert als jede Verwandtschaft, sei sie noch so eng. Wenn innerhalb der Familie der Pakt gebrochen wird, ist die Sache klar: "Bring sie um!" Das hat auch Leas Exfreund zu ihrem Bruder gesagt: "Du musst sie umbringen, sie hat mich verlassen." So einfach ist das. Dann hat er es aber doch selbst erledigt.

Frage:
All das klingt, aus Sicht der Frauen, nach allem, nur nicht nach einer halbwegs emanzipierten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts.

Vincenza Rando:
Die Mafiafrauen haben sich schon etwas emanzipiert, aber nicht viel im Gegensatz zum Rest. Viele akzeptieren aber heutzutage beispielsweise nicht mehr, wenn ihr Mann eine oder mehrere Geliebte hat. Sie selbst müssen, das ist Mafiagesetz, natürlich treu bleiben. Wenn der Mann im Knast sitzt, ist es ihnen sogar untersagt, sich zu schminken, schön zu machen, das könnte ja andere Männer anziehen. Deshalb sieht man manchmal diese Bilder von Mafiafrauen, die im Jogginganzug und ungekämmt das Haus verlassen. Sofern sie nicht wieder Schwarz tragen - in Trauer um den Vater, Mann, Neffen, Sohn, Bruder, wen auch immer.

Frage:
Der Mann aber hat weiterhin Geliebte?

Vincenza Rando:
Ja, das ist im wahrsten Sinne Ausdruck seiner Potenz. Meist nur Ausländerinnen - Russinnen, Polinnen und Rumäninnen sind in den Augen der Mafiafrauen eh nicht gleichwertig. Aber mittlerweile beschweren sie sich dennoch am laufenden Band und hoffen so, ihre Männer vom Fremdgehen abzubringen. Verlassen werden wirklich die wenigsten Mafiosi von ihren Frauen. Das Bedürfnis nach Sicherheit, auch schlicht finanzieller Sicherheit, ist für die Frauen ausschlaggebender als ein selbstbestimmtes Leben. Die Ehe ist auf eine Art sowieso eine Zweckehe, von Liebe und Zärtlichkeit ist oft keine Spur mehr.

Frage:
Woher wissen Sie das alles so genau? Und ist das wirklich mafiaspezifisch, wenn in einer Ehe die Gefühle irgendwann nachlassen?

Vincenza Rando:
Ich weiß nur das, was mir die Frauen erzählen, und ich hatte schon unzählige Gespräche dieser Art. Das Besondere an einer Mafiaehe ist nicht, dass irgendwann die Liebe nachlässt. Sondern dass, auch wenn es sie anfangs gab, die Liebe nie ausschlaggebend war für den Mafioso. Die Frau soll ihm Kinder gebären, sie nach bestimmten Regeln erziehen und ihm eine stillschweigende Komplizin sein. Auch Sex ist für die Frau oft kein Akt der Lust.

Frage:
Sondern?

Vincenza Rando:
Er dient dazu, den Mann zu befriedigen. Der körperliche Akt ist vor allem Ausübung von Macht, und für die Frauen ist er nie einfach nur schön, sondern oft von Gewalt geprägt. Der Mann bestimmt. Er will nicht unten liegen, das würde bedeuten, er lässt sich auch sonst unterkriegen. Er lässt sich zwar gern oral befriedigen, würde es aber nie selbst tun, das gilt als schmutzig und schwul, sogar als hündisch. Sex mit seiner Ehefrau will er nur, bis Kinder da sind. Danach sucht er sich meistens Geliebte.

Frage:
Glauben Sie wirklich, Sie können bei einem so intimen Thema so verallgemeinern?

Vincenza Rando:
Ich kann Ihnen nur das erzählen, was ich von den Frauen der Mafiosi gehört habe, und das waren einige. Oft waren die Ehen arrangiert, Liebe entstand manchmal gar nicht erst. Die meisten Frauen, mit denen ich gesprochen habe, haben Sex nie als etwas Schönes, Erregendes erfahren, sondern als etwas Gewalttätiges, ein Mittel zum Zweck. Im Mafioso ist keine Sanftheit. Die einzigen liebevollen Momente, die er zulässt, hat er am ehesten mit seinen Kindern.

Frage:
Wenn Sie an Ihre Mentoren, die Anti-Mafia-Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino denken, die umgebracht wurden, haben Sie dann Angst?

Vincenza Rando:
Ja, doch, die habe ich. Aber ich darf nicht daran denken, dass mir etwas zustoßen könnte. Das würde mich in meiner Arbeit behindern. Und die ist alles, was ich habe. Auch wenn ich so gern mal wieder unbeschwert ein Buch zur Hand nehmen würde, lesen oder einfach in den Himmel gucken würde. Während des Prozesses habe ich bei unterschiedlichen Freunden geschlafen, das war schon ein wahnsinniger Stress. Aber die Mafia ist immer nur so stark, wie wir Angst haben. Deshalb will ich keine Angst haben.

Frage:
Es gibt kaum ein anderes Land, in dem so viele Menschen unter Personenschutz stehen wie in Italien. Glauben Sie, dass die Beamten Schutz vor der Mafia bieten können?

Vincenza Rando:
Ich glaube das nicht, nein. Wer umgebracht werden soll, wird umgebracht. Aber der Personenschutz ist schon eine Hürde, die überwunden werden muss. Und den Beschützten ist er eine psychische Hilfe. Sich beschützt zu fühlen bedeutet nicht zwangsläufig, beschützt zu sein. Aber es lässt einen ruhiger schlafen.

Frage:
Warum wollen Sie dann keinen Personenschutz?

Vincenza Rando:
Ich will nicht. Ich muss frei atmen können. Trotz allem.

Mafiosi sind keine Lämmer

Vincenza Rando ist eine der prominentesten Anwältinnen Italiens. Sie vertritt Frauen, die Männer verlassen, die in der Mafia sind. Ein Schritt, den die Frauen mitunter mit dem Leben bezahlen, denn sie haben Komplizinnen zu sein - und Mütter von Söhnen, die sie zu Mafiosi erziehen. Auch Vincenza Rando geht ein großes Risiko ein. Für sie ist das hochriskant. Denn die ungeschriebenen Regeln in Kreisen der organisierten Kriminalität erlauben nicht, dass einer aussteigt. Tut er es doch, ist es sein Todesurteil.

Vincenza Rando - Anti-Mafia-Anwältin

Auch Lea Garofalo, die von Vincenza Rando vertreten wurde, nachdem sie ihren zur Mafia gehörenden Lebensgefährten verließ, wurde umgebracht. Von ihrem Ex-Freund, nachdem der Bruder Garofalos es nicht tat „Bring sie um. Du musst sie umbringen, sie hat mich verlassen“, soll er zum Bruder gesagt haben.

Am Ende wählte er selbst eine grausame Mordmethode. Zuerst schoss er seiner ehemaligen Gefährtin in den Kopf. Danach löste er die Leiche in Säure auf. Es sollte keine Spuren geben. Rando, die Anwältin, hat die Tochter Garofalos als Nebenklägerin vertreten, zudem war sie Zeugin, denn sie war eine der letzten, die Kontakt zur Ermordeten hatte.

Die Mafia ist ein einflussreicher und mächtiger Player in Italien. Laut den sozialpolitischen Informationen der Deutschen Botschaft in Rom vom Januar 2012 setzt die Mafia in Italien etwa 180 Milliarden Euro um. In Europa haben die Umsätze Dimensionen ganzer Staatshaushalte erreicht. Längst trete die Mafia nicht mehr nur als Großakteur der Schattenwirtschaft auf, der Geld mit Drogen, Waffen, Menschenhandel, erpressten Schutzgeldern macht, sondern sie breite sich auch im Handel, Tourismus, Baugewerbe, Sport und Gesundheitswesen aus: „Die Mafia mordet nicht mehr, sondern kauft“, steht im neuesten Kriminalbericht der Anti-Mafia-Behörde.


„Geheult und vor Angst in die Hose geschissen“

„Die Kraft der Kompetenz“ – so hieß der Slogan, mit dem Domenico Zambetti als Kandidat des Berlusconi-Lagers vor zwei Jahren in den Wahlkampf für das Regionalparlament der Lombardei zog.


Gekaufte Stimmen für den Erfolg: Domenico Zambetti.


Das Motto funktionierte prächtig: Mehr als 11.000 Präferenzstimmen katapultierten den 60-Jährigen auf der Liste der Berlusconi-Partei PdL nach oben, brachten ihm am Ende das Ressort für Wohnungsfragen in der Regionalregierung im Norden Italiens ein.
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Doch offenbar war Zambetti auf dem falschen Feld nur allzu kompetent: Seit Mittwoch ist er in Haft, wegen Stimmenkauf und Unterstützung der mafiösen Vereinigung ’Ndrangheta. Gleich 4.000 seiner persönlichen Stimmen nämlich soll der gutmütig wirkende Provinzpolitiker mit dem gemütlich-rundlichen Gesicht bei seinen Freunden von der kalabrischen ’Ndrangheta erworben haben – zum Preis von 50 Euro pro Stimme.

Doch offenbar war Zambetti auf dem falschen Feld nur allzu kompetent: Seit Mittwoch ist er in Haft, wegen Stimmenkauf und Unterstützung der mafiösen Vereinigung ’Ndrangheta. Gleich 4.000 seiner persönlichen Stimmen nämlich soll der gutmütig wirkende Provinzpolitiker mit dem gemütlich-rundlichen Gesicht bei seinen Freunden von der kalabrischen ’Ndrangheta erworben haben – zum Preis von 50 Euro pro Stimme.

Seine Karriere – erst Verwaltungsdirektor im staatlichen Gesundheitsdienst, dann von 1995 bis 1999 Provinz- und seit 2000 Regionalabgeordneter – findet damit vorerst ihr Ende.

Außer mit Geld hatte Zambetti sich bei den in der Lombardei ökonomisch höchst aktiven ’Ndrangheta-Bossen, mit dem Versprechen revanchiert, ihnen öffentliche Aufträge zuzuschanzen. „Wir wissen, dass es die Ausschreibung gibt, und er tut alles, damit wir den Zuschlag bekommen“, sagen zwei Bosse am Telefon, wie aus Abhörprotokollen hervorgeht.

Dass die ’Ndrangheta-Bosse ihn daraufhin als „unseren Mann“ klassifizierten, den sie „in der Hand haben“, überrascht nicht. Doch die Zusammenarbeit war nicht immer unproblematisch. Die Mafiosi mussten die Daumenschrauben anziehen, da der Politiker die letzte Rate über 80.000 Euro schuldig geblieben war. In einem Telefonat lästern sie, Zambetti habe bei einem Treffen „geheult und sich in die Hose geschissen“.

Schon seit Jahren wussten die Fahnder, dass die kalabresische Mafia in Italiens reichster und bevölkerungsreichster Region aktiv ist – dass sie aber auch direkten Zugang zur Regionalregierung hatte, ist ein Novum. Die rechte Regionalregierung steht dank Zambetti womöglich vor dem schnellen Aus.

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Sonntag, 27. Januar 2013

Junger Camorra-Boss in Scampia gefasst

Junger Camorra-Boss in Neapel gefasst

Einen Erfolg feierte die Polizei auch im Kampf gegen die Camorra, den neapolitanischen Arm der Mafia. Der junge Camorra-Boss Giuseppe Bastone, der in Italien zu den meist gesuchten Kriminellen zählte, wurde am Samstag in Neapel festgenommen. Der 21-Jährige war für den Drogenhandel im neapolitanischen Viertel Scampia zuständig, der als Hauptplatz für den Suchtgiftverkauf in Italien gilt.

Donnerstag, 24. Januar 2013

Parlamentarier unter Mafia-Verdacht

Rom 24.01.2013

Nach anderen Spitzenpolitikern in Silvio Berlusconis Partei PdL tritt nun auch Nicola Cosentino bei den Parlamentswahlen nicht an. Grund: Er steht unter dem Verdacht, Kontakte mit der Mafia zu haben.

Versinkt in Mafia-Vorwürfen: Berslusconis Kandidat Nicola Cosentino (Archivbild)

«Ich akzeptiere den Ausschluss von der Liste ohne jeden Streit», sagte der Ex-Staatssekretär aus Neapel am Dienstag nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa. «Wenn das dazu beiträgt, ein paar Stimmen mehr zu bekommen und die Linken zu besiegen, ist es gut.»

Cosentino pflegte nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Kontakte zum einflussreichen Camorra-Clan Casalesi. Er hatte sich bis zuletzt gegen den Ausschluss von den Kandidatenlisten gesträubt. Die Italiener sind am 24. und 25. Februar an die Urnen gerufen.

Am Wochenende hatten unter dem Druck von Ex-Premier Berlusconi die altgedienten PdL-Politiker Marcello Dell'Utri aus Sizilien und Ex-Industrieminister Claudio Scajola ihre Kandidaturen zurückgezogen. Scajola war in Korruptionsskandale verwickelt. Dell'Utri wurde wegen eines «Pakts» mit der sizilianischen Cosa Nostra in zweiter Instanz zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Die Parteien ringen angesichts vieler Korruptionsskandale um «saubere» Listen mit unbescholtenen Kandidaten. Berlusconi selbst, gegen den mehrere Verfahren laufen, tritt dennoch an, ebenso der unter Korruptionsverdacht stehende scheidende Präsident der Lombardei, Roberto Formigoni. (SDA)

150 Verdächtige bei Razzia gegen Mafia

„Entweder er hört auf, oder wir legen den Kerl um“, sollen Mafiosi in einem Telefonat gedroht haben. In einer landesweiten Aktion ist die Polizei nun gegen illegale Glücksspiele der Mafia vorgegangen.




Allein in Italien gebe es 150 Verdächtige, berichteten italienische Medien am Mittwoch.
Die von Ermittlern in Bologna koordinierte Aktion „black money“ habe in mehreren Teilen Italiens stattgefunden, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa.

Die mafiöse Organisation, die ihre Basis in der Emilia Romagna habe, habe auch Ableger in Rumänien, Deutschland, Niederlande und Großbritannien, schrieb das Onlineportal „corriere.it.“

Unter anderem ging es um Internetspiele. Allein auf einer Homepage wurden den Berichten zufolge in sieben Monaten 40 Millionen Euro eingenommen, mit einem Schaden für die Staatskasse von 1,2 Millionen Euro.

Die Mafia-Organisation habe einen Journalisten bedroht, der Artikel über den Boss der Gruppe geschrieben habe. „Entweder er hört auf, oder wir schießen ihm in den Mund“, drohten Mitglieder den Ermittlern zufolge in einem Telefonat.

Mittwoch, 23. Januar 2013

Interview mit einem Paten der 'Ndrangheta

"Am Altar des Verbrechens": Die 'Ndrangheta, die kalabrische Spielart der Mafia, gilt als die erfolgreichste Verbrecherorganisation der Welt. Sie besteht heute aus etwa 150 Clans mit rund 6.000 Mitgliedern. Hier die wörtliche Wiedergabe des Interviews über dieses archaische und globale Netzwerk der Gewalt. Vor dem Interview wurde gegenseitige Vertraulichkeit zugesichert und Namen nicht genannt.

FRAGE: Wie sollen wir Sie als Boss ansprechen?

Capo: Ich bin ein Medaglione, der höchste Grad, den man bei uns erreichen kann. Nennen Sie mich doch einfach Fedele

FRAGE: Wie wird man Medaglione?

Capo: Man muss sich an die Regeln halten, Meriten erwerben und klug handeln.

FRAGE: Was sind Meriten?

Capo: Das sind die Taten, an denen wir gemessen werden. Es funktioniert wie in der Wirtschaft. Wer Erfolg hat, steigt auf.

FRAGE: Gehören auch Morde dazu?

Capo: Dazu können auch blutige Taten zählen.

FRAGE: Haben Sie schon jemanden umgebracht?




Mafiosi aus der Bande des interviewten Capo: "Es würde mir mehr Probleme bereiten, einen Hund zu töten"


 

Capo: Sagen wir mal so: Es würde mir mehr Probleme bereiten, einen Hund zu töten. Denn Tiere machen im Gegensatz zu Menschen keine Fehler.

FRAGE: Was für Fehler meinen Sie?

Capo: Jeder von uns muss sich an die Regeln halten. Dazu gehören Gehorsam, Treue und Wahrhaftigkeit. Wer sich nicht daran hält, muss zahlen. Vielleicht nicht beim ersten Mal, aber spätestens beim dritten.

FRAGE: Ihr Geschäft ist Raub, Erpressung und Mord. Wie können Sie da von Regeln sprechen?

Capo: Das sind die Mittel, die uns bleiben. Der römische Staat geht ebenfalls nicht zimperlich mit uns um.

FRAGE: Aber diese Regierung ist demokratisch gewählt. Ihnen hingegen fehlt jede Legitimation.

Capo: Wir sind ein besetztes Land, und wir nehmen uns, was uns gehört. Der Staat kümmert sich nicht um Kalabrien. Wir hingegen besorgen Jobs und sorgen für Ordnung.



Struktur der 'Ndrangheta




FRAGE: Ist es nicht vielmehr so, dass Sie jede Entwicklung im Süden Italiens durch Schutzgelderpressung und Korruption verhindern?

Capo: Die Politiker sind ohnehin korrupt. Und hier wollen wir herrschen.

FRAGE: Ist die 'Ndrangheta auch in Deutschland aktiv?




Capo: Wir sind da, wo das Geld fließt. In Deutschland fühlen wir uns besonders wohl, weil man dort noch Respekt voreinander hat.

FRAGE: Stehen auch deutsche Politiker auf Ihrer Gehaltsliste?

Capo: Wenn es nicht so wäre, wären wir nicht da. Das große Geld lässt sich nur verdienen, wenn die Politik mitmacht.

FRAGE: Nur auf kommunaler Ebene oder auch weiter oben?

Capo: Auf allen Ebenen, sonst würde das nicht funktionieren.

FRAGE: Die Polizei sagt, die Morde von Duisburg seien ein Fehler gewesen, weil die anschließenden Ermittlungen die Geschäfte der 'Ndrangheta gestört haben.

Capo: Wir machen keine Fehler. Die blutigen Taten von Duisburg waren notwendig, um weiteres Blutvergießen zu verhindern.

FRAGE: Die Polizei behauptet, es sei ein Rachemord im Rahmen einer jahrelangen Fehde zwischen zwei verfeindeten Clans aus San Luca gewesen.


verhaftete 'Ndrangheta-Bosse



Capo: Für einen reinen Fehdemord hätten die Bosse in San Luca nie die Erlaubnis gegeben. Nein, in Duisburg lagen die Dinge anders.

FRAGE: Wie denn?

Capo: In Duisburg wollten ein paar Leute, die für den Mord an Maria Strangio Weihnachten 2006 verantwortlich waren, gegen das ausdrückliche Verbot der Bosse eine eigene Gesellschaft gründen und in San Luca die Macht übernehmen. Zum Glück wurde ihr Plan verraten.

FRAGE: Es war also keine Rache?

Capo: Wäre der Plan der Verräter von Duisburg aufgegangen, hätte das weltweit die Ordnung der 'Ndrangheta durcheinanderbringen können. So etwas kann nicht geduldet werden. Mit den Morden von Duisburg haben wir die Ordnung wiederhergestellt. Jeder weiß, was geschieht, wenn er sich gegen unsere Anordnungen stellt. Gleichzeitig ist damit die Fehde beendet worden. Es war also ein Ehrenmord und ein Fehdemord. Jetzt herrscht wieder Frieden.

FRAGE: Wissen Ihre Frau und Ihre Kinder eigentlich, womit Sie Ihr Geld verdienen?

Capo: Sie sehen es. Sie wissen es. Aber sie sagen nichts.

FRAGE: Soll Ihr Sohn einmal den gleichen Weg gehen?

Capo: Nein. Ich möchte, dass er Arzt wird oder Anwalt.

Dienstag, 22. Januar 2013

Fortsetzung / Ein Camorra-Pate packt aus!

Ein Bericht von Roberto Saviano
- aufbereitet von Claudio Michele Mancini -



Einst war Maurizio Prestieri einer der großen Bosse der Camorra in Neapel. Neuerdings arbeitet er mit der Justiz zusammen.


FORTSETZUNG 2

Ich versuche, Maurizio Prestieri etwas über Deutschland zu entlocken.
»Für uns war Deutschland Drogenabsatzland«, sagt er.
Ich erkläre ihm, dass die Deutschen sich nicht vorstellen können, wie sehr ihr Land von der Mafia durchsetzt ist.
»Das weiß ich sehr gut. Man darf nicht zu viele Leute kaltmachen, vor allem keine Deutschen, und nicht allzu sehr bei der Justiz anecken, ansonsten kann man in Deutschland prima arbeiten.«



Treffen der Mafiabosse in Karlsruhe


Seltsamerweise haben die Deutschen erst nach der Schießerei von Duisburg begriffen, dass die Mafia in ihrem Land existiert, und dennoch meinen sie, das sei ein italienisches Problem. Doch weit gefehlt. Die Mafia in Deutschland ist weniger ein öffentliches als ein wirtschaftliches und finanzielles Problem.
»Die Türken sind für uns entscheidend«, meint Prestieri und lächelt wissend. »Die haben ein sehr gutes Heroinnetzwerk. Wir haben von denen Heroin bekommen und sie von uns Koks. Doch über Investments und Beziehungen in Deutschland darf ich nicht reden, das unterliegt alles dem Untersuchungsgeheimnis bei den italienischen Behörden.«
Prestieri schwärmt von dem erstklassigen Waffenmarkt in Deutschland.
»Ich kann mich noch gut an eine total verrückte Begebenheit in Düsseldorf erinnern, das muss irgendwann nach 2002 gewesen sein. Zwei meiner Leute fahren nach Düsseldorf, um eine Bazooka zu kaufen.«
Prestieri erzählt mir, dass seine Männer jahrelang in Deutschland unterwegs waren und das Land wie ihre Westentasche kannten.
(Originalzitat!) »Die treffen ihre Kontaktmänner, einen Türken und einen Slawen, und fahren in die Pampa außerhalb der Stadt, um die Waffe zu testen; sie trauen den beiden nicht und lassen sich auch bei der Handhabung nicht reinreden: Der Erste legt sich die Bazooka auf die Schulter und drückt ab – nichts. Dann versucht es der Zweite – wieder nichts. Dann geht plötzlich ein Schuss los, allerdings nicht nach vorne. Sie haben die Waffe falsch herum gehalten, und die Granate schlägt in ein Häuschen ein, in dem zwei alte Leute wohnen. Zum Glück waren die beiden gerade nicht zu Hause, sonst hätte es ein Blutbad gegeben.« Maurizio Prestieri lacht! »Die deutschen Behörden haben die Sache nicht an die große Glocke gehängt, genauer gesagt, sie haben eine Nachrichtensperre verhängt. Anderenfalls hätten wir den Staatsanwalt umgelegt!«

Für die Mafia ist Deutschland ein bequemes Land, denn bisher gibt es kaum Maßnahmen gegen sie. Hier gelten andere Abhörregeln als in Italien: Das Trauma der staatlichen Kontrolle ist noch zu lebendig.
»In Deutschland fühlen wir uns sehr wohl. Das große Geld kann die Mafia nur machen, wenn die Politik mitspielt - so wie in Deutschland. Das sagt Maurizio Prestieri mit einem süffisanten Unterton.«

Zwei Dinge stehen für einen italienischen Boss fest: Der Mensch hängt am Geld und am Leben. Hängt man weder am einen noch am anderen oder macht zumindest den Eindruck, es nicht zu tun, ist man bereits auf dem besten Weg zum Anführer. Man lernt, vor nichts mehr Angst zu haben. Genauso war Prestieri. Er warf das Geld zum Fenster hinaus: Keiner seiner Anzüge kostete weniger als zehntausend Euro, und – so betont er – sie hatten Stil.
»Ich kann mich noch genau an das teuerste Abendessen meines Lebens erinnern. Wir aßen in einem Fischrestaurant, mit Champagner und dem ganzen Zauber. Zwölftausend Euro haben wir verprasst.«



Filippo Zonta - verhafteter Mafia-Pate grüßt freundlich in der sicheren Gewissheit,
bald wieder auf freiem Fuß zu sein.


Prestieri war auch im neapolitanischen Jetset zu Hause. Schauspieler, Sänger, Fußballer. Der Schlüssel zu allen Türen war Koks.
»Einmal habe ich haufenweise Stoff in die Villa eines neapolitanischen Schauspielers geliefert, und alle haben sich an mich rangeschmissen. Ich war mit sämtlichen Bonzen der Stadt per Du, dabei ist das Viertel, aus dem ich komme, für die der letzte Dreck. Aber das weiße Pulver, das ich von da mitbrachte, fanden alle super.«

Er verzockte Unsummen am Spieltisch. Er war bei allen Spielern bekannt, vor allem Baccara hatte es ihm angetan.
»Einmal stand ein Ferrari auf dem Spiel. Es war allein die Lust am Gewinnen, schließlich hatte ich schon drei Ferraris. Plötzlich gewann ein anderer Neapolitaner sieben Mal in Folge. Und in einer Minute war ich den Ferrari und eine Million Euro los.«

Tausende solcher Kasinogeschichten gibt es. Am Spieltisch lernt man, Geld rauszuschmeißen und alles wie ein riesiges Roulette zu betrachten, man fühlt sich stark und verwegen, weil man vor aller Augen Summen verspielt, die dem Jahresgewinn ganzer Konzerne entsprechen. Alles wollen sie mit Geld kaufen, auch Frauen.

»Zur Saisoneröffnung hatte ein Kasino mal das schönste und bekannteste italienische Showgirl eingeladen. Die war ständig im Fernsehen, auf allen Kanälen. Mein Assistent war total verrückt nach der. Also sag ich ihm: »Biete ihr 50.000 Euro, und die geht mit dir ins Bett.«»Glaubst du echt, O’sicco?«»Na klar, hau schon ab und nerv mich nicht«, sage ich.
Er trabt also los und kommt ganz niedergeschlagen wieder. »Ich hab mich voll in die Scheiße gesetzt! Als ich ihr das Geld angeboten habe, hat sie mich angewidert angeguckt und gesagt: Tun Sie das nicht noch mal!«Ich sag zu ihm: »Du musst ihr Jetons zeigen, sonst glaubt die, du bluffst. Los, die Sache geht auf mich. Gib ihr 100.000 Euro in Jetons.«Nach einer Weile kommt er freudestrahlend zurück. »O’sicco, sie hat angenommen!«Dann haben wir weitergespielt. »Weil wir eine Glückssträhne hatten«, erzählt er grinsend weiter,
»hatte sich eine wunderschöne Russin neben ihn gesetzt, plötzlich war das Showgirl vergessen. Aber weil das Geld versprochen war, ist er zu ihr aufs Zimmer und hat sich einen blasen lassen. Der teuerste Blowjob, den er je hatte.«


Prestieri kehrt in die Gegenwart zurück. »Heute bin ich stolz, meine Kinder aus allem rausgehalten zu haben, und weiß Respekt zu schätzen, der nicht erzwungen ist. Früher, wenn ich in unserem Viertel mit dem Auto unterwegs war, haben mich die Leute angehalten und ihre Autos umgeparkt, damit ich meinen Wagen abstellen konnte. Ich hab mir für zwenzig Millionen ein Haus gebaut. Ist ziemlich schön geworden. Nicht eine dieser geschmacklosen Buden voller Gold und Nippes. Dann hab ich überlegt, dass ich mir von demselben Geld ein Haus in der Mailänder Innenstadt oder an der Spanischen Treppe hätte kaufen können. Stattdessen hab ich mein Domizil mitten in Secondigliano errichtet. Aber so ticken wir Camorristi nun mal. Dableiben, das Leittier sein. Hier im Norden, wo ich jetzt lebe, grüßt mich mein Nachbar und lädt mich und meine Frau zum Essen ein. Er hat schließlich keine Ahnung, wer ich bin. Das weiß niemand mehr, und darüber bin ich froh.«

Es ist mein letztes Treffen mit Maurizio Prestieri, er erzählt mir, wie die Mafia die Wahlen beeinflusst. »Die Camorra hat zigtausend Wählerstimmen in der Hand. Je größer die Politikverdrossenheit und das politische Desinteresse, desto mehr Stimmen bedeutet das für uns. Wir hatten es nicht nur auf die Kommunalpolitik, sondern wir haben dabei auch nach Rom gesehen.«


Fortsetzung folgt...

Ein Camorra-Pate packt aus! / ...un pentito canta /

Ein Bericht von Roberto Saviano
- aufbereitet von Claudio Michele Mancini -


Maurizio Prestieri (Anfang fünfzig, genaues Alter unbekannt) stammt ebenso wie sein Chef Paolo Di Lauro, 57, aus dem Elendsquartier Secondigliano. Zusammen mit dem angrenzenden Scampia gehört es zu den ärmsten Bezirken Neapels, von den Neapolitanern auch Dritte Welt genannt. Hier im Norden der Stadt herrschen die höchste Kriminalitäts-, Analphabeten- und Arbeitslosenrate, seit Anfang der neunziger Jahre entwickelten sich die beiden Viertel zu einem der größten Drogenmärkte Europas, vor allem für Kokain. Die Camorra ist hier einer der wichtigsten Arbeitgeber. Häufig verdient die ganze Familie mit; wer nicht loyal ist, stirbt oder zieht weg.

  Einst war Maurizio Prestieri einer der großen Bosse der Camorra in Neapel. Neuerdings arbeitet er mit der Justiz zusammen.

»In Scampia ist ein Schatz vergraben. Lauter Edelsteine: Smaragde, Topase, Rubine, Lapislazuli. Und Diamanten. Vor allem Diamanten. Die stecken sie in große und kleine Colaflaschen aus Plastik. Echt wahr, ohne Scheiß.«
Ich bin sprachlos. Dann frage ich: »Und wo genau liegt dieser Schatz?«
»Wenn ich’s wüsste, hätte ich das den Richtern längst gesagt. Einige der Klunker waren so groß, dass sie nicht durch den Flaschenhals passten. Mit Paolo Di Lauros Diamanten könnte man die Autobahn Rom–Neapel pflastern.«

Das erzählt mir Maurizio Prestieri, früher Camorra-Boss in Secondigliano, einem der ärmsten und brutalsten Viertel Neapels (siehe Infobox). Prestieri war die rechte Hand von Paolo Di Lauro, dem Oberhaupt des Di-Lauro-Clans, einem der bis zu seiner Verhaftung 2005 meistgesuchten Camorra-Chefs Italiens.


Maurizio Prestieri kommt zum Interview

»Heutzutage waschen italienische Drogenhändler ihr Geld vor allem mit Edelsteinen. Die behalten ihren Wert und werden sogar noch wertvoller. Sie lassen sich leicht verstecken und auf der ganzen Welt zu Geld machen. Immobilien, Autos, Villen – das wird alles beschlagnahmt. Banknoten verrotten. Diamanten hingegen ... wie heißt es in der Werbung so schön? ›Diamanten sind unvergänglich.«

Maurizio Prestieri hat niemanden eigenhändig umgebracht, wird aber beschuldigt, dreißig Morde veranlasst zu haben. Doch was ihm noch mehr anhängt, ist die organisierte Kriminalität, mit der die italienischen Mafia-Clans zur Nummer eins auf dem Kokainmarkt geworden sind: Sie haben eine Elitedroge zur Massendroge gemacht. Als Prestieri im Juni 2003 verhaftet wird, ist er ein reicher Mann. Er und seine Familie sind gerade in Marbella, das für sämtliche kriminellen Vereinigungen Europas zur zweiten Heimat geworden ist. Nach vier Jahren Haft beschließt er, mit der Justiz zusammenzuarbeiten, und bislang gelten seine Aussagen als glaubwürdig.


Auftragsmord in Neapels Altstadt / Das Opfer - der Clanchef Nunzio Giuliano

Als er auszusagen beginnt, bietet ihm der Clan eine Million Euro für jeden Widerruf. Prestieri macht weiter, obwohl er weiß, dass damit das Todesurteil über ihm schwebt. Er hat keine Lust mehr, Boss zu sein.
»Ich bin, wer ich bin«, sagte er,  »und was ich getan habe, lässt sich nicht aus der Welt schaffen, aber immerhin kann ich es jetzt besser machen.«


 Wir treffen uns mehrmals in einer Kaserne, von seinem und meinem Begleitschutz bewacht. Geheimer Ort, vage Uhrzeit. Staatsanwalt und Polizei haben die Treffen vermittelt. Zu jedem Treffen erscheint der etwa fünfzigjährige Maurizio Prestieri braun gebrannt und äußerst elegant. Grauer oder schwarzer Nadelstreifenanzug, Stiefeletten, Markenuhr. Nicht der leiseste Hauch von Ungepflegtheit, wie sie sonst oft jene umgibt, die nicht mehr am Ruder sind und sich verkriechen müssen. Er lebt mit seiner Familie an einem geheimen Ort, steht unter Hausarrest. Das Gefängnis durfte er verlassen, weil er mit der Polizei zusammenarbeitet. Seine beiden Kinder hat er nie in den Clan eingeführt und zum Studieren ins Ausland geschickt.

»Erinnern Sie sich noch an mich?«, fragt er. »Ich hab Sie mal richtig übel angeblafft.«
Ich habe keine Ahnung, wovon er redet. Doch O’sicco, der Dürre, wie er in Neapel genannt wird, erinnert sich genau.
»Sie saßen in einer Gerichtsverhandlung, und meine Mutter hat mir Küsse zugeworfen. Sie dachten, die wären für Paolo Di Lauro, und haben ein Gesicht gemacht, als wollten Sie sagen: ›Was will die Alte!‹ Und da hab ich Ihnen zugerufen: ›Verpiss dich, du Arsch...‹«

Maurizio Prestieri gehört zu den Bossen, die aus dem Nichts aufgetaucht sind. Secondigliano ist Start- und Zielpunkt seines Lebens.
»Mit dem ersten Geld, das ich mit etwa zwanzig als Dealer verdient habe, wollte ich was machen, das noch niemand in meinem Viertel getan hatte: fliegen. Ich bin zum Flughafen nach Capodichino und hab ein Ticket für einen Inlandsflug gekauft. Wohin, war egal, Hauptsache, möglichst weit weg von Neapel, und der am weitesten entfernte Ort für uns war Turin. Ich war wahnsinnig aufgeregt. Nach der Landung bin ich ausgestiegen, hab eine Runde durch den Flughafen gedreht und bin wieder zurück. Als ich ankam, war das ganze Viertel da und hat applaudiert. Ich kam mir vor wie Gagarin, der Pionier im All. Alle haben mich gefragt: Und, O’sicco, bringt einen dieses Ding wirklich bis über die Wolken?«

Das Vorstadtelend ist der Antriebsmotor des Clans. »Der Staat hätte uns sofort aufhalten können, aber stattdessen sind wir in null Komma nichts reich und mächtig geworden. Die legale Wirtschaft ist auf unser illegales Geld angewiesen«, sagt Prestieri.

Bei diesen Jungs, für die ein Flug von Neapel nach Turin einer Mondfahrt gleichkommt, ist der Wille, es nach ganz oben zu schaffen, mindestens so groß wie die Unwissenheit. Laut Prestieri hatte Raffaele Abbinante, der spätere Boss der »Scissionisti« (»die Abspalter«), als Teenager noch nie einen Scheck gesehen.
»Als mein Bruder ihm eine Lieferung Hasch mit einem Scheck bezahlen wollte, hat er gesagt: ›Was soll ich mit dem Fetzen? Ich will richtiges Geld!‹ Und heute, zwanzig Jahre später, redet er von Aktien, Öl-Investment und Goldpreis.«

Dann erzählt Maurizio weiter: »Wir sind zur Nummer eins geworden, weil wir uns durch nichts haben aufhalten lassen. Wir hatten vor nichts Angst.«
Die Grausamkeit der Secondigliano-Clans wuchs mit dessen finanziellem Geschick. Der Sohn des erwähnten Raffaele Abbinante hat noch nie jemanden umgebracht und soll das Töten lernen. Bei einem Bandenkrieg aus vielen Rohren feuern zu können bedeutet nicht nur Macht und Anerkennung, sondern auch Sicherheit.
»Einmal saß ein Junge in einem Fiat und hat für uns Drogen vertickt. Abbinante forderte seinen Sohn auf, ihn zu erschießen. »Na los, mach schon, brenn ihm eins auf den Pelz!«
Sein Sohn schoss auf den Jungen, der für diese Feuertaufe geopfert wurde.
»Siehst du‹, meinte sein Vater, »töten ist ein Klacks.«

Der Kronprinz des Di-Lauro-Clans, Cosimo Di Lauro, muss dieselbe Prüfung ablegen.
»Schließlich haben sie ihm eine fette Wachtel vor die Nase gesetzt«, sagt Prestieri.
Fette Wachtel bedeutet: ein leichtes Ziel. Unbewaffnet, unbewegt und ahnungslos, wie die meisten Camorra-Opfer.
»Die Di Lauros hatten ebenfalls einen Dealer für Cosimo ausgesucht. Cosimo geht auf ihn zu, der mit einer Begrüßung, einem Handschlag rechnet. Stattdessen holt Cosimo die Knarre raus und ballert los, aber er streift den Dealer nur und rennt weg. Ein echtes Armutszeugnis...«
Niemand in Secondigliano durfte über diese Schlappe reden.


Cosimo Di Lauro, Kronprinz und Auftargsliller der Camorra

Aber es geht noch härter. Will einer der ehemaligen Getreuen des Di-Lauro-Clans auf die Gewinnerseite der rivalisierenden Scissionisti überwechseln, gibt’s eine einfache Regel: »Du musst ein Mitglied deiner Familie umbringen. Erst dann wirst du aufgenommen, denn so können sie sicher sein, dass du sie nicht bescheißt.«
Maurizio Prestieri spricht konzentriert und sachlich. Er sieht einem in die Augen, ohne einen Anflug von Provokation. Vielmehr hat er etwas Trauriges an sich. Dieser Mann hätte alles Mögliche erreichen können, stattdessen hat er beschlossen, Mafiaboss zu werden, so wie man beschließt, Geschäftsmann zu werden. Geschäftsmann und Camorra-Chef ist für diese Leute ein und dasselbe.

Er stellt mir eine so kinderleichte wie schwindelerregende Rechenaufgabe: »Ein Kilo Koks kommt für 10.000 bis 12.000 Euro nach Secondigliano. Beim Weiterverkauf bringt das Kilo einen Reingewinn von rund 100.000 Euro. Es gibt Dealer, die arbeiten rund um die Uhr und verticken bis zu zwei Kilo täglich. Und jetzt sag mir mal, wie viel da an einem Tag reinkommt?«
Wenn man bedenkt, dass ein lokaler Dealerring bis zu fünfzehn Plätze bespielt, kommen nur mit Kokain drei Millionen Euro rein, und das alle vierundzwanzig Stunden.


...mit dem Kokain-Taxi nach Neapel


Ich frage ihn nach den Zulieferern.
»Wir haben das Koks aus Asturien bekommen«, sagt Prestieri, »wir standen mit den Basken in Kontakt.«
Ich erinnere ihn an den Aufschrei der Empörung, den meine Behauptung, die Eta habe Verbindungen zur Camorra in Spanien ausgelöst hat.
»Ich weiß, die wollen alle keinen Ärger mit der Eta und geben es deshalb nicht zu. Mit einer politischen Organisation kann man sich an einen Tisch setzen, aber nicht mit jemandem, der seine Finger im Drogengeschäft hat. Jedenfalls haben wir bei baskischen Rauschgifthändlern gekauft, die von der Eta unterstützt wurden. Als unser Kontaktmann in Spanien angefangen hat, direkt mit den Südamerikanern zu verhandeln, sind wir nicht mehr hingefahren. Er hatte beste Beziehungen zu den Leuten vom kolumbianischen Cali-Kartell. Die Sache läuft folgendermaßen: Jede Ladung Koks wird zur Hälfte bezahlt, man selbst bleibt als Pfand bei den Kolumbianern. Wird die andere Hälfte nicht bezahlt, bringen sie einen um.«

Binnen zehn Jahren zählt Maurizio Prestieri zu den reichsten Männern und meistgefürchteten Bossen der Gegend. Zu Spitzenzeiten macht er monatlich fünf Millionen. Er entwickelt ein Faible für Glücksspiel und Luxusschlitten. Er liebt Ferraris, »aber ich fand’s nervig, mit dem Ferrari in Neapel rumzugurken, alle kommen und glotzen. Das hatte was total Prolliges. Den Ferrari bin ich nur in Monte Carlo gefahren. Ich hab das Leben genossen. Aber ich habe immer dafür gesorgt, dass es meiner Familie an nichts fehlt, und sie aus allem rausgehalten.«

Fortsetzung folgt.....

Montag, 21. Januar 2013

So arbeitet die Camorra...

"Das große Abschlachten" in Neapel ist gerade vorbei, da kommt ein italienischer Autor mit einer schockierend einfachen Analyse der italienischen Mafia: Die Camorra, so Roberto Saviano, agiert nicht anders als normale Unternehmen - sie vergießt nur mehr Blut.
Was Neapel kürzlich widerfuhr, ist nicht im Sinne der Camorra: weltweiter Medienrummel um das organisierte Verbrechen in der Vesuv-Metropole. Es muss Schluss sein mit den Klischees, Camorristi seien Tagelöhner im Sonntagsanzug mit der Lupara unterm Arm, oder dem Gewehr mit abgesägtem Lauf. Die Carmorra ist heute ein hochmodernes Unternehmen. Es lebt weniger von der Erpressung, als von den Investitionen der Profite aus dem Drogenhandel. Auch der boomende Markt von Luxusfälschungen im legalen Wirtschaftskreislauf wirft stattliche Gewinne ab.

Das ganz große Geschäft allerdings macht die Camorra mit Geldwäsche durch Firmenbeteiligungen und Unternehmensgründungen, mit Investitionen in der Gastronomie und im Tourismus, in der Baubranche und die Übernahme öffentlicher Aufträge wie lukrative Geschäfte mit der Müllentsorgung auf illegalen Deponien. Stolz tragen die Bosse ihren Reichtum zur Schau und wehe dem, der herablassend lächeln oder seine Abneigung zeigen würde.



Camorristi mit kiloschwerem Goldschmuck am Strand


Nachwuchssorgen muss sich die Camorra nicht machen. In Neapel sind 63 Prozent der Jugendlichen arbeitslos. Sie eifern den großen Bossen nach, wollen reich und "berühmt" und gefürchtet werden, wie dieser Herr auf dem Foto!




Da ist ein „Job“ bei der Camorra. Für viele Jugendliche allemal besser als gar kein Job. So sieht das auch der 18jährige Angelo. Er ist „Scippatore“, einer, der vom Moped herab Passanten goldene Halsketten, teure Uhren, Ohrringe oder Kameras wegreißt. Er hat schon Drogen transportiert; ob er irgendwann Schutzgelder eintreiben oder einen Auftragsmord begehen wird? Angelo hebt die Schultern. „Ich habe mich angepasst, ich hatte keine andere Chance. Aber immerhin verdiene ich gutes Geld, auch wenn dabei jemand über die Klinge springt“

Doch seit Neuestem will die Camorra partout eines vermeiden: Öffentlichkeit. Die Camorra hat sich in jüngster Zeit immer mehr dem Stil des legalen Unternehmertums angepasst, um nicht aufzufallen. So betreibt die Camorra-Familie La Torre aus Mondragone mehrere Restaurants im schottischen Aberdeen, die in einem Reiseführer angepriesen werden. La Torre selbst reiste nach Paris, um auf einer großen Gastronomie-Messe seinen Familienbetrieb einem Fachpublikum vorzustellen.

Die Grenzen zwischen Legalität und Illegalität verwischten immer mehr. Wenn man ehrlich ist und genau hinter die Kulissen schaut, kann man die Camorra keineswegs als Entwicklungsbremse bezeichnen. Das Gegenteil ist der Fall. Für die Unternehmen der armen Region Kampanien sorgen die Clans für einen unbestreitbaren Mehrwert. An den Boss kann sich ein Unternehmer wenden, wenn etwa Banken keine Kredite gewähren. Im Gegenzug wird das Unternehmen die Firmen des Clans mit Aufträgen beglücken, sein Geld reinwaschen, seine Mitglieder einstellen. Dafür hält der Boss seine schützende Hand über den Betrieb, kassiert eine Profitbeteiligung, die sich wie eine Versicherung für den Unternehmer auszahlt. Das schwemmt jede Menge Geld in die Kasse, das gewinnbringend in Drogen angelegt wird - eine potenzierte "win-win-Lösung"

In Zeiten von Konjunkturschwankungen und Globalisierung kann ein in Not geratener Betrieb immer mit Finanzspritzen des Clans rechnen, deren sprudelnde Einnahmequellen aus Drogenhandel, Prostitution und Waffendeals auch während einer Rezession nicht versiegen.


Morde auf offener Straße

Nicht selten setzt die Camorra den Marktschwankungen ihre geballte Gewalt entgegen. La Torre, der Inhaber von Restaurants und Pizzerien in Schottland, reagierte prompt auf eine Preissenkung der italienischen Pizzabäcker in seinem Ort. Seine Leute setzten den Zulieferer der Konkurrenz unter Druck, den Mehlpreis zu erhöhen, indem sie seine Lieferwagen mehrmals überfielen. Die Camorra profitiert nicht nur, sie korrigiert auch den Markt.



Marktkorrektur à la Camorra

Auch der Lebensstil der jungen Killer der Camorra hat sich gewandelt und dem modernen Konsumverhalten angepasst. Ugo De Lucia, der laut Anklage drei Morde in vier Tagen begangen haben soll, war gerade in Pro Evolution Soccer an der Playstation vertieft, als er sein Spiel unterbrechen musste, den Joypad kurzerhand mit der Magnum vertauschte und seinen Job als Killer erledigte, um danach sofort wieder an den Comuputer zurückzukehren, als wäre er nur mal eben Zigaretten holen gegangen. So kaltblütig die Killer vorgehen, so gezielt sind ihre Opfer fast ausschließlich unter den Rivalen zu finden. Tendenz: Den Blutzoll so gering wie möglich halten. Richter und Ermittler geraten nicht mehr ins Visier.


Der Staat versagt

Nach dem großen Bandenkrieg vor zwei Jahren zwischen dem Clan der Allianz von Secondigliano und dem gegnerischen Clan der Misso, war es in der Tat still geworden um Neapel. Die Pax mafiosa stellte scheinbar einen Frieden unter den Banden her, und die 20 Morde allein im ersten Halbjahr 2010 erregten weiter kein Aufsehen. Doch im Juni geriet das prekäre Gleichgewicht ins Wanken: Vincenzo Di Lauro, Sohn des berüchtigten Bosses Paolo Di Lauro, wurde wegen eines Formfehlers aus dem Gefängnis entlassen. Der 31-jährige steht nach Einschätzung der Ermittler von der DIA (Direzione Investigativa Antimafia) für eine neue Generation, die ohne Rücksicht auf Blutvergießen die Gebiete neu aufteilet. Es geht dabei um die Plätze für den Drogenumschlag, das Stammgschäft der Clans, bei dem ein Boss bis zu 60.000 Euro Gewinn pro Tag machen kann.



Verhaftung von Giuseppina Apprea - berüchtigte Mafia-Patin im Kokaingeschäft


Die jüngste Mordwelle mit zwölf Delikten in zehn Tagen, "das große Abschlachten" (Originalton der Bürgermeisterin Rosa Russo Iervolino), ging auf eine Revolte innerhalb des Misso-Kartells zurück, die Familien Sarno und Mazarella lehnten sich gegen den obersten Boss Giuseppe Misso auf. So wurde etwa dessen Schwiegersohn Vincenzo Prestigiacomo von seinen Killern mit vier Kopfschüssen aus einem Meter Entfernung auf offener Straße niedergestreckt, nachdem er gerade eine Bar im Zentrum an der Porta San Gennaro verlassen hatte.

Bei dem Hinterhalt wurde eine Passantin verletzt. Die neue Welle der Gewalt legt einmal mehr offen: Der Staat hat versagt. Antonio Bassolino regiert seit zwölf Jahren, erst als Bürgermeister Neapels, jetzt als Präsident der Region Kampanien. Zu Beginn seiner Amtszeit rief er die "Renaissance Neapels" aus, betrieb Kunstförderung und Stadtverschönerung und schaute ansonsten weg, wie seine Kritiker sagen. In den letzten Jahren wurden 19 Gemeinderäte Kampaniens wegen Camorra-Infiltration aufgelöst, mehr als in ganz Italien. Der renommierte Journalist Gian Antonio Stella spricht heute von einer Epidemie.


Aus dem Knast, in der Schlacht

Nach dem Wiederaufflammen der Gewalt entsandte die Regierung in Rom 1000 Polizeibeamte und ließ eine Videoüberwachung an den Drogenplätzen installieren. Man braucht kein Philosoph sein, die Kameras werden genau so lange surren, bis die Camorra sie wieder ausschaltet.





In der Diskussion um die Auswüchse der Gewalt prangerte die Staatsanwaltschaft die Auswirkungen der Amnestie vom Sommer an: Die Gefängnisentlassungen gerieten häufig zum Todesurteil für die Camorristi. Auch der 31-jährige designierte Erbe des Misso-Clans, Prestigiacomo, war dank einer Strafmilderung vorzeitig entlassen worden. Die Opfer des Doppelmords in Torre del Greco. Die Signori Adriano Cirillo, 27, und Pasquale Pecoraro, 31, hatten ebenso von einer Amnestie Gebrauch gemacht. Insgesamt sollen nach Zeitungsberichten bei sechs von 22 Morden Haftentlassene als Täter oder Opfer im Spiel gewesen sein.

Die Rechtssicherheit müsse wieder hergestellt werden, forderte die Soziologin Gariella Gribaudi. Nur wenn verurteilte Carmorristi auch definitiv einsäßen, würden sie nicht länger von der Jugend als Idole vergöttert. Aber genau das ist der Fall!

Bürgermeisterin Iervolino aus Neapel registrierte zudem eine wachsende Gewaltbereitschaft in ihrer Stadt. Zur selben Zeit, als die Clans sich ihren "Kampf" lieferten, wurde ein Krimineller bei einem Überfall auf ein Tabakwarengeschäft von dem Geschäftsinhaber erschossen. Im gleichen Zeitraum erstach ein 16-Jähriger aus Eifersucht zwei 18-Jährige. Nach einem Familienstreit erschoss ein 21-Jähriger seinen Vater mit einem Gewehr. Alle drei Täter wurden sofort von der Camorra als Killer angeworben und eingesetzt.

Die Mitglieder der Camorra sind keine Idioten! Sie verfolgen sehr aufmerksam die Schlagzeilen und tarieren ihre Strategie je nach Medienecho und Reaktion des Staates aus. Dass zuletzt über ganz unterschiedliche Probleme in der Berichterstattung über Neapel zu lesen war, erleichter den Camorristi das überleben, denn Presse, Politik und Wirtschaftsvertreter lenken von dem "System" Camorra ab.



Das Unternehmen Camorra

Die Camorra ist kein lokales, sondern ein italienisches Problem. Müllimporte etwa werden aus dem Norden und Zentrum des Landes nach Kampanien gebracht und von der Camorra auf illegalen Halden entsorgt. Der Wiederaufbau erdbebenzerstörter Gebiete in Umbrien wird mit Camorra-Geldern finanziert und nicht etwa vom Staat. Die Wege der Geldwäsche führen nach Mailand, Bologna, Venetien, Schottland, Teneriffa und Santo Domingo. Die Camorra wird in der Bevölkerung natürlich als rein kriminelle Vereinigung wahrgenommen, dennoch sind sie in der Wahrnehmung Unternehmer, die hilfreich agieren. Das zeigt, wie komplex das Gebilde Camorra ist und wie schwer es den Einsatzkräften gemacht wird, die Bosse zu fassen.

 Fazit: Die Camorra unterscheidet sich abgesehen vom Blutzoll nicht von anderen Unternehmen.

 

Sohn von Camorra-Boss „Sandokan“ verhaftet

Italienische Sicherheitskräfte haben Montag früh den prominenten Camorra-Chef Carmine Schiavone verhaftet.


Der Sohn des als „Sandokan“ bekannten Bosses Francesco Schiavone gilt als „Pate“ des einflussreichen Camorra-Clans Casalesi, der die illegalen Geschäfte im Großraum Neapel kontrolliert. Bei seiner Festnahme gab sich der Mafioso gönnerhaft: "Das habt ihr gut gemacht", lobte er die Einsatzkräfte.

Francesco Schiavone, der in Mafiakreisen Sandokan und "Cicciariello" genannt wird, galt als der Chef des Casalesi Clans, eines der stärksten Clans innerhalb der Camorra, der sich vor allem auf Drogenhandel spezialisiert hat. Schiavone, der Sohn eines Kleinbauern, entschied sich schon in jungen Jahren der Mafia beizutreten, um der Armut zu entfliehen. 1972, im Alter von 18 Jahren, wurde er zum ersten Mal verhaftet. Er war an diversen Mafia-Kriegen und Blutfehden beteiligt und wurde schließlich einer der einflussreichsten Clan-Chefs.


Carmine Schiavone bei seiner Verhaftung in der Mafia-Hochburg Aversa
 Das Vermögen der Familie von Francesco Schiavone aus seinen Mafia-Aktivitäten wird auf knapp 800 Millionen. Euro geschätzt, er versuchte vor allem durch Immobilien-Geschäfte das Geld reinzuwaschen.

Schon 2010 wurde die Ehefrau "La Sfinge" (die Sphinx) des berüchtigten Clanführers Sandokan verhaftet. Sie verwaltete das immense Vermögen, das zum allergrößten Teil auf karibischen Konten liegt und bislang nicht beschlagnahmt werden kann.

Maria Rosaria Schiavone bei ihrer Verhaftung im Oktober 2010
 Im Juni 2008 wurde Francesco Schiavone nach mehreren Gefängnisaufenthalten und Gerichtsverhandlungen schließlich zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Mein italienischer Kollege Roberto Saviano behandelt in seinem Buch Gomorra u.a. die Aktivitäten von Francesco Schiavone und liefert zahlreiche Hintergrund-Informationen.




Ein Großaufgebot der Carabinieri hat am Montag in der süditalienischen Stadt Aversa den Camorra-Boss verhaftet. Der Schlag gegen die Mafia erfolgte gegen 6 Uhr morgens in einem Lokal mit dem biblischen Namen Kain, mitten im Zentrum der Stadt Aversa in der Provinz Caserta in Kampanien.

Offenbar hatten sich hier mehrere Bosse der Camorra zu einer Sitzung versammelt, als die Sicherheitskräfte zuschlugen. Schiavone sei zunächst durch den Hinterausgang des Lokals geflohen, hieß es. Nach einer Stunde Verfolgungsjagd sei es den Carabinieri dann gelungen, ihn zu stellen. "Ich hab' es ja nicht so mit der Polizei, aber das habt ihr gut gemacht", lobte Schiavone die Beamten bei seiner Verhaftung. Auf dem Weg ins Gefängnis warf er den Kameras noch einen Kusshand zu.

Rund 8000 Euro trug der Mafioso bei sich, außerdem eine Waffe. Wegen versuchter Erpressung soll ihm nun der Prozess gemacht werden. Laut Staatsanwaltschaft soll er kurz vor Weihnachten von einem Unternehmer aus Aversa 10.000 Euro Schutzgeld gefordert haben. Der Polizei zufolge gibt es weitere Geschäftsleute, die vom Casalesi-Clan erpresst wurden und aussagen wollen.
Auch finanziell ging es den Casalesi heute an den Kragen: Die Anti-Mafia-Behörde in Rom konfiszierte Vermögen der zum Clan gehörenden Familie D'Alterio in Höhe von zwei Millionen Euro.  Doch diese zwei Millionen wird der Clan leicht verschmerzen.
Drei andere Söhne von „Sandokan“ befinden sich bereits wegen verschiedenen Delikten hinter Gittern. Einem Sohn Schiavones, Nicola, wird unter anderem dreifacher Mord vorgeworfen. Die Polizei bezeichnete die Verhaftung Carmine Schiavones als schwerer Schlag für den Casalesi-Clan.


Sonntag, 20. Januar 2013

'Ndrangheta-Boss Giuseppe Coluccio hinter Gitter

Der "König des Drogenhandels" Giuseppe Coluccio, mächtiger Mafia-Boss der kalabrischen ,Ndrangheta mit weltweiten Beziehungen, wurde von Kanada nach drei Jahre andauernden Prozessen im Jahr 2009 an Italien ausgeliefert. Am Flughafen in Rom angekommen, war er plötzlich spurlos verschwunden. Wie er den schwerbewaffneten Carabinieri entkommen konnte, dürfte kaum noch aufzuklären sein.

Der 42- Jährige, der auf Italiens Liste der 30 meistgesuchten gefährlichen Verbrecher stand, wurde endlich gefasst und kam am Mittwoch nach einer mehr als dreijährigen Flucht in Rom in Haft. Laut den Ermittlern steht Coluccio zusammen mit seinem Bruder Giuseppe hinter einem groß angelegten Drogenring, der Kokain in großen Mengen von Südamerika nach Kalabrien schmuggelte.



Giuseppe Coluccio - Boss der 'Ndrangheta


Nach Ansicht der Ermittler war eine jahrelange Fehde verfeindeter 'Ndrangheta-Clans Hintergrund der Ermordung von sechs aus Italien stammenden Männern im Alter zwischen 16 und 38 Jahren in Duisburg im August 2007. Damals waren die Italiener  nahe der Duisburger Pizzeria "Da Bruno" in zwei Autos mit zahlreichen Schüssen regelrecht hingerichtet worden.

Er war am 7. August 2008 in seiner Luxuswohnung in der Nähe von Toronto mit Blick auf den Ontario-See festgenommen worden, wie italienische Medien berichteten. Dem einflussreichen Boss werden internationaler Drogenhandel, die Bildung einer Mafia-Organisation und Erpressung vorgeworfen. Er soll im engen Kontakt mit der sizilianischen Cosa Nostra vor allem mit Kokain Geschäfte gemacht und auch mit Kriminellen in der Türkei zusammengearbeitet haben. In seiner Wohnung in einem Wolkenkratzer fanden damals die Ermittler eineinhalb Millionen kanadische Dollar (knapp eine Million Euro), jede Menge Schecks sowie Schmuck.
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Samstag, 19. Januar 2013

Mafia von Dortmund und Witten aus aktiv

Mafiaclan in Deutschland zerschlagen

Bei einer Razzia gegen die italienische Baumafia wurden am Donnerstag elf Personen festgenommen. Eine der Mafiagruppen soll von einem Sizilianer aus dem Raum Dortmund/Witten angeführt worden sein. Ein weiterer Hauptverdächtiger soll von Köln aus aktiv gewesen sein


Luxus- Villa des Mafiapaten bei Licata / Sizlien

Die Polizei in Nordrhein-Westfalen und Sizilien hat die italienische Baumafia im Visier. Bei einer Großrazzia waren am Donnerstag allein in NRW mehr als 400 Polizisten und Steuerfahnder im Einsatz. Sie wurden von Spezialeinheiten unterstützt, wie die Polizei in Köln mitteilte. Durchsucht wurden Privatwohnungen sowie Geschäftsräume in 15 verschiedenen Städten. Dabei wurden elf Personen festgenommen. Bei der Razzia der Ermittlungsbehörden auf Sizilien wurde unter anderem eine Luxus-Villa beschlagnahmt. Zudem seien sechs mit internationalen Haftbefehlen gesuchte Verdächtige in Licata, Ravanusa und Piazza Armerina festgenommen worden.

Ziel sei es, eine Auslieferung der Festgenommenen nach Köln zu erreichen, hieß es. Die Großrazzia wurde den Angaben zufolge monatelang vorbereitet und sei nur durch die Zusammenarbeit zwischen der Staatsanwaltschaft und der Polizei Köln, den Steuerfahndungsämtern Düsseldorf, Bonn und Wuppertal, dem Bundeskriminalamt, der Generalstaatsanwaltschaft in Palermo, dem Ermittlungsrichter des Gerichtes der Provinz Agrigento sowie den am Donnerstag beteiligten Carabinieri-Dienststellen zustande gekommen.



Gesamtschaden von 30 Millionen Euro

Nach Polizeiangaben stehen die Beschuldigten unter dem Verdacht, 24 sogenannte Strohmannfirmen in der Baubranche gegründet zu haben. Über diese seien Schwarzarbeit und Steuerstraftaten mit einem Gesamtschaden von mehr als 30 Millionen Euro abgewickelt worden. So sollen über das komplexe Firmengeflecht der Baumafia unter anderem illegale Bauarbeiterkolonnen beschäftigt, Steuern hinterzogen und Sozialabgaben gespart worden sein.

Nach Erkenntnissen der Ermittler haben 12 sizilianische Mafiosi in Deutschland Unternehmen gegründet oder bereits existierende Firmen aufgekauft. Gelder zum Kauf dieser Firmen wurden durch Hintermänner zur Verfügung gestellt. Nach Gründung der Strohmannfirmen verkaufte die Gruppierung verschiedenen Geschäftspartnern vor allem Rechnungen dieser Firmen, ließ die Rechnungsbeträge über die Konten der Strohmannfirmen laufen und zahlte die Summe abzüglich einer Gebühr an die Nutzer in bar aus.

Mafia-Baustelle in Köln


Geleitet wurde eine der mafiösen Firmengruppen offenbar von einem 39-Jährigen Sizilianer in Köln. Ihm wird auch vorgeworfen, sein Lokal als Drogenumschlagsplatz genutzt zu haben. Er steht unter dem Tatverdacht, gewerbsmäßig mit Kokain gehandelt zu haben, hieß es. Zudem soll er Waffen geführt und eingesetzt sowie mit falschen Führerscheinen und Warenkreditbetrügerein gehandelt haben. Eine zweite Mafiagruppe soll von einem 55-jährigen Sizilianer aus Dortmund/Witten geleitet worden sein.

In NRW fanden die Polizeieinsätze in Köln, Leverkusen, Bergisch-Gladbach, Troisdorf, Solingen, Hagen, Schwerte, Witten, Dortmund, Hamm, Pulheim, Recklinghausen, Bornheim, Geilenkirchen und Wuppertal statt. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) sprach sich vor dem Hintergrund der Ermittlungen für die Einführung der Vorratsdatenspeicherung aus. Sie sei ein unverzichtbares Instrument, um Tatzusammenhänge und Hintermänner schneller zu erkennen und so mafiöse Strukturen zu zerschlagen, sagte der NRW-Landesvorsitzende Erich Rettinghaus. Doch blockiere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) die entsprechende Gesetzgebung.