Sonntag, 2. Dezember 2012

Patinnen auf dem Vormarsch



Die Regierung Monti hat der Mafia den Kampf angesagt. Zum Vorteil weiblicher Clan-Mitglieder: Sie springen für die verhafteten Bosse ein.


Anfang November haben neapolitanische Carabinieri während einer nächtlichen Blitzaktion in der Camorra-Hochburg Torre del Greco 48 Personen verhaftet – darunter zwölf Frauen, vier davon in Spitzenpositionen: Annamaria Carotenuto, Maria Lucia Gravino, Elena Longobardi und Anna De Blasio. Womit ein Trend bestätigt wurde, der sich schon länger abzeichnet: Frauen spielen eine immer aktivere Rolle in der organisierten italienischen Kriminalität. Ob die sizilianische Mafia, die neapolitanische Camorra oder die kalabresische 'Ndrangheta, der Anteil weiblicher Bosse, die an den Platz ihrer inhaftierten Männer rücken, ist stetig am Steigen.

Annamaria Carotenuto

Emanzipation hat die Mafia längst erreicht

Während die Frauen früher jeweils im Hintergrund agierten (allenfalls als Botengängerinnen für ihre in Verstecken lebenden Männer), drängen sie sich heute immer selbstbewusster an die Spitze. «Die Frauen haben innerhalb der Mafia an Ansehen gewonnen», sagt Umberto Santino vom Mafia-Dokumentations-Zentrum «Giuseppe Impastato» aus Palermo. Diese Entwicklung sei auch nicht «weiter erstaunlich, da die Mafia keine Dogmen kennt und sich seit jeher den Umständen angepasst hat».

Und da die Justiz in den letzten Jahren immer aggressiver und erfolgreicher gegen die organisierte Kriminalität ankämpft und folglich immer mehr Cosa-Nostra-Bosse in Haft sind, «muss eine vertrauenswürdige Person draussen das Kommando übernehmen». Häufiger sind auch Fälle von Witwen, die «an die Stelle von ermordeten Bossen rücken». So geschehen im Fall von Camorra-Boss Nicola Pianese, der 2006 von Rivalen in seinem Auto erschossen wurde. Statt nach einem männlichen Nachfolger zu suchen, übernahm Raffaella D'Alterio, genannt «la miciona» (die grosse Miezekatze), das Zepter und führte fortan den Pianese-D'Alterio-Clan. Mit Erfolg: Innert kurzer Zeit gelang es Raffaella D'Alterio, mittels Schutzgelderpressungen, Drogen- und Falschgeldhandel sowie illegaler Müllentsorgung ein Millionenimperium aufzubauen.


Ermelinda Pagano

Ebenfalls ein Händchen in Sachen Finanzen konnte die 2009 verhaftete Ermelinda Pagano aufweisen. Nachdem sich ihr Ehemann, Camorra-Boss Raffaele Amato, 2006 nach Spanien abgesetzt hatte, übernahm sie die Kontrolle über die Finanzen des Clans. Eine Aufgabe, die sie sehr ernst nahm: Bei ihrer Verhaftung konnte man ihr Geldwäscherei von Drogengeldern in Höhe von rund 3,5 Millionen Euro nachweisen.

Genauso brutal und immer jünger

In Sachen Brutalität stehen die Frauen den Männern ebenfalls in nichts nach. «Die Mafia-Frauen sind kein bisschen weniger grausam als ihre Männer», sagt Umberto Santino. «Auch sie führen die Geschäfte mit Gewalt.» Als Beispiel nennt Santino Giuseppina «Giusy» Vitale. Die Frau, die es Anfang der 1990er-Jahre bis ganz an die Spitze der sizilianischen Mafia geschafft hatte. «Vitale hat sogar Morde angeordnet.»



Santino Giuseppina «Giusy» Vitale

«Kalt, ehrgeizig und skrupellos», so beschrieb Alberto Redo, Chef der Guardia di Finanza von Reggio Calabria, gegenüber dem Nachrichtenmagazin «Panorama» die 2010 verhafteten 'Ndrangheta-Frauen. Ihn erstaunte vor allem die grosse Zahl von jüngeren Frauen, «oftmals Mütter von Kleinkindern», die innerhalb der jeweiligen Clans Karriere machen und «dabei immer mehr den Männern gleichen».


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